09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
scharfen Schneide. Garth verbrachte seine Tage damit, sie zu wetzen, behaupteten die anderen Wächter. Ich werde nicht um Gnade winseln, entschloss sich Davos. Er würde wie ein Ritter in den Tod gehen und nur darum bitten, dass man ihm zuerst den Kopf und erst dann die Hände abschlug. Selbst Garth würde nicht so grausam sein, ihm diesen Wunsch zu verweigern, hoffte er.
Die Geräusche von jemandem, der sich näherte, wurden durch die Tür stark gedämpft. Davos erhob sich und schritt hin und her. Es war eine große Zelle, die sogar eine gewisse Bequemlichkeit bot. Vermutlich hatte sie einst einem kleinen Lord als Schlafgemach gedient. Sie war dreimal so groß wie seine Kapitänskajüte auf der Schwarze Bessa und war sogar größer als die Kabine, die Salladhor Saan auf der Valyria bewohnte. Obwohl das einzige Fenster bereits vor Jahren zugemauert worden war, befand sich in einer Wand noch ein Kamin, der groß genug war, um einen Kessel zu erhitzen, und es gab sogar einen Abtritt in einer Nische in der Ecke. Der Boden bestand aus verzogenen Dielenbrettern voller Splitter, und die Matratze roch nach Schimmel, doch diese Unannehmlichkeiten waren gering im Vergleich zu dem, was Davos erwartet hatte.
Auch das Essen hatte ihn überrascht. Anstelle von Haferschleim, trockenem Brot und verdorbenem Fleisch, dem gewöhnlichen Kerkerfraß, brachten seine Wächter ihm frischen Fisch, ofenwarmes Brot, würzigen Hammel, Rüben, Karotten und sogar Krebse. Garth war damit nicht sehr glücklich. »Die Toten sollten nicht besser essen als die Lebenden«, beschwerte er sich nicht nur einmal. Davos hatte Felle, die ihn nachts wärmten, Holz für das Feuer, saubere Kleidung und eine qualmende Talgkerze. Bat er um Papier, Feder und Tinte, so wurde es ihm am nächsten Tag von Therry gebracht. Als er um ein Buch bat, um weiter Lesen zu üben, brachte ihm Therry Der Siebenzackige Stern .
Trotz aller Annehmlichkeiten blieb die Zelle natürlich eine Zelle. Die Wände bestanden aus massivem Stein, der so dick war, dass Davos nichts von draußen hören konnte. Die Tür war aus Eiche und Eisen gefertigt, und die Wächter legten stets den Riegel vor. Vier schwere Ketten mit Schellen baumelten von der Decke und warteten nur auf den Tag, an dem Lord Manderly sich entschied, ihn der Hure zu übergeben. Heute könnte dieser Tag gekommen sein. Das nächste Mal, wenn Garth meine Tür öffnet, bringt er vielleicht nicht den Haferbrei.
Sein Magen knurrte, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Morgen schon fast verstrichen war, und noch immer hatte er nichts zu essen bekommen. Am schlimmsten ist nicht der Tod, sondern die Ungewissheit, wann und wie er eintritt. In seiner Zeit als Schmuggler hatte er schon einige Kerker und Verliese von innen gesehen, doch hatte er dort meist mit anderen Gefangenen gesessen, und mit ihnen hatte er reden und seine Ängste und Hoffnungen teilen können. Hier hatte er niemanden. Die Wärter nicht mitgezählt hatte Davos Seaworth den Wolfsbau ganz für sich allein.
In den Kellergewölben der Burg, so wusste er, gab es einen richtigen Kerker; Verliese, Folterkammern, düstere Gruben, wo riesige schwarze Ratten durch die Dunkelheit huschten. Seine Wärter behaupteten, sie wären zurzeit alle unbesetzt und frei. »Nur wir sind hier, Zwiebel«, hatte Ser Bartimus ihm gesagt. Er war der Oberste Kerkermeister, ein leichenblasser Ritter mit nur einem Bein, einem Narbengesicht und einem erblindeten Auge. Wenn Ser Bartimus getrunken hatte, und Ser Bartimus trank fast jeden Tag, prahlte er gern damit, wie er Lord Wyman in der Schlacht am Trident das Leben gerettet hatte. Zur Belohnung hatte er den Wolfsbau bekommen.
Die Übrigen, die zu »wir« gehörten, waren ein Koch, den Davos nie zu Gesicht bekam, sechs Wachen in der Kaserne im Erdgeschoss, zwei Waschweiber sowie zwei Wärter, die nach dem Gefangenen schauten. Therry war der Jüngere, der Sohn eines der Waschweiber, ein vierzehnjähriger Junge. Der Ältere war Garth, ein schweigsamer Riese mit Kahlkopf, der jeden Tag das gleiche schmierige Lederwams trug und stets nur düster vor sich hin starrte.
In seinen Jahren als Schmuggler hatte Davos Seaworth ein Gefühl dafür entwickelt, wann er bei einem Mann aufpassen musste, und bei Garth musste man aufpassen. Der Zwiebelritter achtete darauf, in seiner Gegenwart die Zunge im Zaum zu halten. Bei Therry und Ser Bartimus war er nicht so zurückhaltend. Er bedankte sich bei ihnen für das Essen, ermutigte sie, über ihre Hoffnungen
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