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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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wiederzubeleben, nicht weniger liebevoll und nicht weniger notwendig ist?«
    Staves Blick glich einer Herausforderung. »Und wenn er - wie schon sie selbst - weitere Motive hat? Was dann, Steinhausener?«
    »Stein und Meer!«, murmelte die Eisenhand. »Du urteilst zu hart, Haruchai.« Ihre Stimme klang ungeduldig. »Jeder Lebende hat weitere Motive. Auch wir Riesinnen haben welche. Wir dienen nicht Linden Riesenfreundin allein - oder Covenant Zeitenherrn mit ihr. Außerdem sind wir auf der Suche nach dem Sinn unseres Lebens. Wir wollen uns an den Gefahren dieser Zeit messen. Um das Überleben unserer Art zu sichern, müssen wir gegen die Vernichtung der Erde ankämpfen. Und wir haben Verlorensohn Langzorn nicht vergessen. Es ist unser inniger Wunsch, ein Mittel gegen seinen Schmerz zu finden.
    Ich bezweifle nicht, dass das auch für die Ramen gilt. Ebenso ist das Herz des Steinhauseners voller Konflikte, obwohl seine Liebe sicher rein ist. Und das Herz des Alten, den wir lieben gelernt haben, gleicht einer Schlangengrube aus wirren Motiven.
    Deshalb bemühen wir Riesen uns, alle Geschichten ausführlich zu erzählen. Uns liegt daran, die vielfältigen Komplikationen des Lebens und der Herzen unter keinen Umständen zu beschneiden. Freude liegt in den Ohren, die hören, nicht in dem Mund, der spricht.«
    Mit in die Hüften gestemmten Fäusten schloss Kaltgischt: »Deshalb solltest du deine eigenen Motive überprüfen, Stave. An deiner Lehenstreue habe ich nicht den geringsten Zweifel. Sie ist rein wie die Sonne. Aber richtet dein jetziger Widerstand sich nicht außer gegen den Zeitenherrn auch gegen die Gedemütigten? Ist es nicht vielleicht so, dass du sie jetzt in seiner Person abweist, nachdem sie zuvor dich zurückgewiesen haben?«
    Mehrere der Schwertmainnir murmelten ihre Zustimmung. Im Gegensatz dazu machte Mahrtür ein finsteres Gesicht, als wäre er an Staves Stelle verwirrt. Bhapa starrte angelegentlich ins Wasser und ließ sich nicht anmerken, was er dachte. Liand und Pahni hielten sich nervös an den Händen.
    Aber Covenant ließ die Schultern hängen, als wäre er unterlegen. Er hatte nie vorgehabt, Stave in diese peinliche Lage zu bringen. Bei seiner Konzentration auf Lindens Not und die eigene Reue hatte er nicht bedacht, dass sein Bedürfnis, mit ihr allein zu sein, den ehemaligen Meister auf eine harte Probe stellen würde. Und er kannte den unbeugsamen Stolz der Haruchai nur allzu gut.
    Anscheinend konnte er wie Linden nicht versuchen, Gutes mit anderen als zweifelhaften Mitteln zu bewirken.
    Staves Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte. Die Narbe, wo er ein Auge verloren hatte, schien jegliches Mienenspiel zu verhindern. Als er sprach, verblüffte seine Antwort Covenant.
    »Du beurteilst mich richtig, Riesin. Ich will meine Besorgnis nicht verhehlen. Mir gefällt es nicht, dass der Ur-Lord seine Absichten nicht preisgibt. Wie will er die Auserwählte von ihrer Qual erlösen? Das sagt er nicht.
    Dennoch gestehe ich ein, dass ich stolz bin, obwohl ich viel über Demut und Bescheidenheit gelernt habe. Und ich habe gelernt, dass Stolz ein schlechter Ratgeber ist. Daher werde ich die Wünsche des Ur-Lords erfüllen. Sollten die Gedemütigten meine Einwilligung als Unterwerfung betrachten …« Er zuckte mit den Schultern, hob Linden etwas höher. »Sie sind Meister, die von ihrer vermeintlichen Pflicht irregeführt werden.«
    Ein Seufzer der Erleichterung lief durch die versammelte Gesellschaft. Covenant fühlte sich sekundenlang schwächer, als hätte die Sonne angefangen, ihm das Blut aus den Adern zu saugen. Trotzdem zwang er sich dazu, scheinbar selbstsicher zu antworten.
    »Dann gehen wir am besten gleich«, schlug er heiser vor. »Je früher, desto besser. Keine Ahnung, was in ihr vorgeht, aber es ängstigt mich.«
    Staves Nicken schien eine zustimmende Verbeugung einzuschließen.
    Der Mähnenhüter räusperte sich. »Seilträgerin Pahni, sobald der erste Ring-Than einen Ort gefunden hat, der seinen Vorstellungen entspricht, tust du, was er dir befiehlt. Bis dahin achtest du auf seine Schwäche. Auf Staves Armen kann Linden Avery nichts passieren, aber Thomas Covenant könnte straucheln. Deine erste Aufgabe besteht darin, auf ihn zu achten.«
    Pahni warf Liand einen besorgten Blick zu, aber sie antwortete, ohne zu zögern: »Wie du wünschst, Mähnenhüter.«
    Covenant merkte endlich, dass er Lindens Stab nicht mehr in den Händen hielt. Er bückte sich mühsam und hob ihn aus dem Sand auf.

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