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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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trat von der Tür zurück, als sie Blutflecke innerhalb des Schotts bemerkte. Blutverschmierte Fußabdrücke liefen durch die Kajüte, wurden schwächer und verschwanden, bevor sie die andere Seite erreichten.
    Fidelma sagte nichts, als sie aufs Deck zurückstieg und ihre Lampe löschte. Enda und die Äbtissin erwarteten sie mit Ungeduld. Sie gab Enda das Zeichen, den Lukendeckel wieder zu schließen, ging an die Seite des Schiffes und schaute ratlos in das schnell fließende Wasser. Auf dem Deck gab es keinerlei verschmierte oder blutige Fußspuren.
    War es vorstellbar, daß Äbtissin Fainder die Wahrheit sagte? Sinn ergab das nicht. Konnte jemand Gabrán getötet und dann, von Fainders Eintreffen überrascht, sich in die schaurige kleine Kajüte darunter geflüchtet haben und von dort durch die größere Kajüte, über die Leiter zum Deck und über Bord entkommen sein? Nein, dabei gab es eine Schwierigkeit. Der Lukendeckel war geschlossen, und man brauchte einige Kraft, um ihn wegzuziehen. Außerdem hätte das ein Geräusch verursacht, das die Äbtissin gehört und erwähnt hätte. Nachdenklich wandte sich Fidelma um, ging zum Hauptladeraum und schaute hinunter. Natürlich gab es dort auch eine Leiter. Auf diesem Wege konnte tatsächlich jemand an Deck gelangen.
    Sollte diese Theorie stimmen, dann mußte der, der Gabrán getötet hatte und auf diese Weise entkommen war, ein Zwerg sein, eine winzige, schmale Person, die durch die Luke von Gabráns Kajüte in den zellenartigen Raum darunter hinabschlüpfen konnte. Fidelma schüttelte den Kopf und wandte sich Äbtissin Fainder zu, die sich wieder auf den Lukendeckel gesetzt hatte.
    »Enda«, redete sie den Krieger an, »siehst du mal nach den Pferden?«
    Er schaute sie verwirrt an. »Die sind doch sicher, Lady, und…« Dann erkannte er an ihrem stahlharten Blick, daß sie mit der Äbtissin allein sein wollte. »Natürlich«, sagte er und ging verlegen weg.
    Fidelma trat der Äbtissin gegenüber.
    »Ich meine, wir sollten ernsthaft miteinander reden, Mutter Äbtissin, und alle hochmütigen Auffassungen von Rang und Pflicht einmal beiseite lassen. Das würde mir meine Aufgabe erleichtern.«
    Die Äbtissin stutzte bei diesem direkten Herangehen.
    »Ich dachte, wir hätten ernsthaft geredet«, konterte sie leicht irritiert.
    »Nicht ernsthaft genug, wie mir scheint. Natürlich wirst du dich durch einen dálaigh deiner Wahl vertreten lassen wollen…«
    Die Miene der Äbtissin wurde wieder besorgt.
    »Ich sage dir doch, daß ich mit diesem Mord nichts zu tun habe! Du glaubst doch nicht, daß man mich eines Mordes beschuldigt, den ich nicht begangen habe?«
    »Warum nicht? Das ist anderen Leuten auch schon passiert«, antwortete Fidelma ungerührt. »Doch ich will nicht wissen, was du dem dálaigh, den du dir wählst, erzählst, sondern ich möchte von dir ein paar Fragen beantwortet haben, die meiner Ansicht nach die Dinge angehen, die sich in den letzten Wochen hier ereignet haben.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »Ich kann bezeugen, ebenso wie meine Männer, daß wir dich fanden, wie du mit einem Messer in der Hand über Gabráns Leiche gebeugt standst«, erklärte ihr Fidelma hart.
    »Ich habe dir alles gesagt, was du wissen mußt«, erregte sich die Äbtissin.
    »Alles? Ich habe mit deiner Schwester Deog gesprochen.«
    Die Wirkung auf die Äbtissin war erstaunlich. Sie wurde blaß und öffnete bestürzt die Lippen.
    »Sie hat nichts zu tun mit…«, wollte sie protestieren, doch Fidelma schnitt ihr das Wort ab.
    »Überlaß es mir, zu beurteilen, was ich für meine Nachforschungen wissen muß. Machen wir doch Schluß mit den Ausflüchten. Gib mir endlich ein paar ordentliche Antworten!«
    Ein schwerer Seufzer entrang sich der Äbtissin Fainder, und sie neigte nachgiebig den Kopf.
    »Ich weiß, daß du aus einer armen Familie in Raheen stammst, das hat mir deine Schwester erzählt. Ich glaube, du warst Novizin in der Abtei Taghmon.«
    »Du hast dich fleißig umgetan«, erwiderte die Äbtissin bitter.
    »Dann hast du dich entschlossen, nach Bobbio zu gehen?«
    »Ich wurde mit einem Auftrag zu dieser Gründung Columbans geschickt. Ich brachte der Bibliothek in Bobbio einige Bücher als Geschenk.«
    »Was hat dich veranlaßt, dich der römischen Regel zuzuwenden?«
    Äbtissin Fainders Stimme klang nun fanatisch.
    »Als ich nach Bobbio kam, waren seit dem Tod Columbans kaum vierzig Jahre vergangen. Viele Mönche und Nonnen dort meinten, die Regeln, die er nach dem

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