09 - Vor dem Tod sind alle gleich
Angelsachsen meine.«
Überrascht erfaßte Fidelma, was sich hinter dieser Frage verbarg, zwang sich aber dazu, ihre Gefühle nicht zu zeigen.
Bischof Forbassach verzog ärgerlich das Gesicht.
»Tu doch nicht so, als wüßtest du nicht, daß Bruder Eadulf entkommen ist.«
Fidelmas Blick wich seinem nicht aus.
»Ich tue nicht so. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Der Bischof drehte sich zu seinem kleinen Heer um.
»Ihr bleibt hier«, befahl er denen, die Fidelmas Gefährten im Griff hatten. »Haltet die beiden fest. Ihr anderen durchsucht dieses Gasthaus, und zwar gründlich, auch die Nebengebäude. Seht nach, ob Pferde fehlen.«
Fidelma sah, daß Lassar mit verstörtem Gesicht hinter den Männern auftauchte. Sie hätte sie gern beruhigt. Doch ihr eigenes Herz schlug schneller. Sie durfte nicht zulassen, daß Forbassach die Lage beherrschte.
Da erhob sich eine dünne, jammernde Männerstimme über dem Wirrwarr.
»Was soll’n der Lärm? Dis is’n Gasthaus, un ich hab für ‘n gutes Bett un ‘nen ruhigen Schlaf bezahlt.«
Ein kleiner Mann schob sich durch die Menge an der Tür. Er war offensichtlich aus trunkenem Schlaf gerissen worden, sein Haar war zerzaust, ein rasch umgenommener Mantel deckte seine Blöße.
Verärgert über die Unterbrechung, wandte sich Bischof Forbassach um.
»Was hier passiert, geht dich nichts an, Gabrán. Scher dich dahin, wo du hingehörst!«
Der kleine Mann trat noch einen Schritt vor und baute sich auf wie ein Terrier vor einem Jagdhund. Kurzsichtig blinzelte er den Bischof an und erkannte ihn. Verwirrt und Entschuldigungen murmelnd, zog er sich zurück.
»Du behauptest also, der Angelsachse wäre nicht hier?« fragte Forbassach nun Fidelma.
Fidelmas Augen glänzten vor Freude.
»Ich behaupte gar nichts; ich sage dir, daß er nicht hier ist. Anscheinend ist er entkommen?«
Bischof Forbassach beantwortete ihre Frage mit einem Hohnlächeln. »Als ob du das nicht wüßtest.«
»Ich weiß es nicht.«
»Er ist nicht in seiner Zelle in der Abtei. Er ist entkommen, und Bruder Cett wurde von den Leuten bewußtlos geschlagen, die ihm bei seiner Flucht halfen.«
Fidelma atmete tief durch, als er ihre Schlußfolgerung bestätigte. Es war ein Atemzug voll Hoffnung. Sie warf Forbassach einen scharfen Blick zu.
»Beschuldigst du mich, ihm bei seinem Entkommen geholfen zu haben? Ich bin eine dálaigh und habe mich an die Gesetze der fünf Königreiche zu halten. Ich wußte nichts von alledem, bis du es mir eben gesagt hast. Warum brichst du mitten in der Nacht gewaltsam in mein Zimmer ein und bedrohst mich und meine Gefährten?«
»Aus naheliegenden Gründen. Der Angelsachse hat keinen Versuch gemacht zu fliehen, bis du herkamst, und es war klar, daß er nicht aus eigener Kraft entkommen konnte.«
»Auf meinen Eid als dálaigh, Forbassach, ich bin an dieser Angelegenheit nicht beteiligt. Das hättest du auch von mir erfahren können, ohne so dramatisch einzudringen und überflüssige Gewalt anzuwenden. Im übrigen brauchst du diese Gewalt auch nicht weiter gegen meine Gefährten auszuüben.«
Bischof Forbassach drehte sich zu seinen Leuten um, die Dego und Enda noch immer schmerzhaft vorgebeugt hielten.
»Laßt sie los«, befahl er widerwillig.
Die Männer lösten ihren Griff, und die Krieger aus Cashel richteten sich auf. Forbassach gab ihnen einen Moment, um Atem zu schöpfen.
»Nun, wenn ich deinem Wort glauben soll, daß du die Hand nicht im Spiel hattest, vielleicht haben dann deine Männer an deiner Stelle gehandelt. Los, rede!« Er wies auf Dego.
Die Augen des Kriegers zogen sich zusammen, und er hätte wohl den hochmütigen Brehon angegriffen, wenn nicht der muskulöse Bruder Cett daneben gestanden hätte.
»Ich weiß nichts von dieser Flucht, Brehon von Laigin«, antwortete er in gemessenem Ton, in dem aber nichts von der üblichen Achtung vor dem Rang eines Brehons zu spüren war.
In Bischof Forbassachs Gesicht spiegelte sich sein Zorn.
»Und du?« fuhr er Enda an.
»Ich befand mich im Bett, bis deine Raufbolde mich aus dem Schlaf rissen, als sie die Schwester meines Königs überfielen«, erwiderte er trotzig. »Ich kam ihr zu Hilfe. Für die Folgen dieses Überfalls wirst du später noch einstehen müssen.«
»Vielleicht können wir dich dazu bringen, dein Gedächtnis noch einmal zu überprüfen«, erklärte der Bischof mit einem unangenehmen Lächeln.
»Das ist ein Verbrechen, Forbassach!« rief Fidelma, entsetzt über diese Andeutung. »Du wirst
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