Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
Vom Netzwerk:
»du sagtest, daß Mel befördert und Daig jetzt Hauptmann der Wache an den Kais geworden war. Wie hat er Bruder Ibar gefangen? Du gebrauchtest den Ausdruck ›gefangen‹. Das Wort deutet daraufhin, daß Bruder Ibar Widerstand leistete oder zu fliehen versuchte.«
    »Das war nicht der Fall. Als Daig die Leiche des Schiffers entdeckte, wußte er, daß es sich um ein Mitglied der Mannschaft Gabráns handelte. Er ließ Gabrán holen, damit er den Mann identifizierte, und Gabrán stellte fest, daß die Goldkette, die der Mann gewöhnlich trug, fehlte und ebenso einige Münzen, die ihm gerade als Lohn ausgezahlt worden waren. Die Wirtin Lassar bezeugte, daß der Schiffer kurz zuvor ihr Gasthaus mit reichlich Geld verlassen hatte. Gabrán hatte ihm dort gerade seinen Lohn ausgehändigt. Deshalb hatte der Mann auch getrunken. Es war ein klarer Fall von Raub.«
    »Nun gut, aber welcher Weg führte – ohne alle Zeugen – vom Überfall auf den Schiffer zu Bruder Ibar?«
    »Einen Tag später wurde Ibar gefaßt, wie er auf dem Markt versuchte, die Goldkette des Schiffers zu verkaufen. Die Ironie des Zufalls wollte es, daß er sie Gabrán selbst anbot. Der rief dann Daig, und daraufhin wurde Ibar verhaftet, für schuldig befunden, verurteilt und gehängt.«
    Diese Schilderung stimmte Fidelma nicht glücklich.
    »Es war eine Dummheit, falls Bruder Ibar schuldig war«, überlegte sie. »Ich meine den Versuch, die Goldkette des Opfers ausgerechnet seinem Kapitän zu verkaufen. Wenn Gabrán dafür bekannt war, daß er Handel mit der Abtei trieb, hätte Ibar doch wissen müssen, daß Gabrán die Kette erkennen würde? Er hätte sich einen weniger gefährlichen Weg gesucht, die Kette zu veräußern.«
    »Es ist nicht meine Sache, zu erraten, was in Ibars Kopf vor sich ging.«
    »Wie du gesagt hast, treibt Gabrán seit geraumer Zeit Handel mit der Abtei. Wie lange war Bruder Ibar hier?«
    Die Äbtissin machte eine verlegene Bewegung.
    »Ich glaube, schon einige Zeit. Bereits bevor ich herkam.«
    »Dann stimmt meine Vermutung. Was hatte Bruder Ibar zu der Beschuldigung zu sagen?«
    »Er leugnete alles, sowohl den Mord wie den Raub.«
    »Aha. Wie erklärte er, daß er im Besitz der Kette war?«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Wozu brauchte Bruder Ibar so dringend Geld – wenn wir davon ausgehen, daß er den Schiffer ermordete und beraubte?«
    Die Äbtissin zuckte die Achseln und schwieg.
    »Und was passierte mit Daig? Wie kam er zu Tode?«
    »Ich sagte doch schon, es war ein Unfall. Er ertrank im Fluß.«
    »Ein Hauptmann der Flußwache ertrank?«
    »Was willst du damit unterstellen?« fragte Äbtissin Fainder.
    »Ich treffe nur eine Feststellung. Wie konnte jemandem, der die Fähigkeit zum Hauptmann der Wache an den Kais besaß, ein solcher Unfall zustoßen?«
    »Es war dunkel. Ich glaube, er rutschte aus und fiel vom Kai. Dabei schlug er mit dem Kopf gegen einen Holzpfeiler und war bewußtlos. Deshalb ertrank er, ehe ihm jemand helfen konnte.«
    »Gab es Zeugen für den Unfall?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Von wem hast du dann diese Einzelheiten?« Äbtissin Fainder runzelte ärgerlich die Stirn. »Von Bischof Forbassach.«
    »Also hat er diesen Todesfall auch untersucht? Wie lange nach Bruder Ibars Verhandlung ereignete sich dieser Unfall?«
    »Wie lange? Soweit ich mich erinnere, kam Daig noch vor der Verhandlung zu Tode.«
    Fidelma schloß einen Moment die Augen. Sie wollte sich von den Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Abtei nicht mehr überraschen lassen.
    »Davor? Dann erfolgte Daigs Aussage also nicht vor Gericht?«
    »Es wurden nicht viele Beweise benötigt. Gabrán war der Hauptzeuge. Er konnte den Ermordeten identifizieren. Er berichtete von dem fehlenden Geld und erkannte auch die Goldkette, die ihm Ibar verkaufen wollte.«
    »Das paßt alles sehr gut zusammen. Dieser Gabrán war der einzige, der das Motiv des Raubes für die Ermordung des Schiffers angab; er war der einzige, der behauptete, die Gegenstände seien gestohlen worden, und er war auch der einzige, der Bruder Ibar mit dem Verbrechen in Verbindung brachte. Und auf die Aussage dieses einen Mannes hin wurde Bruder Ibar gehängt. Beunruhigt dich das nicht?«
    »Weshalb sollte es mich beunruhigen? Bischof Forbassach hatte keine Bedenken, die Aussage anzuerkennen. Außerdem war es nicht nur Gabráns Aussage. Als Daig hörte, daß Ibar versucht habe, die Goldkette zu verkaufen, ließ er Ibars Zelle hier in der Abtei

Weitere Kostenlose Bücher