090 - Moerderische Knochenhaende
sein Liebchen satt hatte.“
Der Alte lachte.
„Kann man sich mit Ihnen auch wie mit einem normalen Menschen unterhalten?“ fragte Julia hitzig.
„Durchaus“, erwiderte er ernsthaft. „Wenn Sie mir sagen, weshalb Sie gekommen sind.“
„Ich habe gehört, daß Sie besonders gut mit der Geschichte des Schlosses und seiner Bewohner vertraut sind“, sagte Carlotta ruhig.
„Das stimmt.“
„Dann können Sie uns vielleicht sagen, was es zu bedeuten hat, daß es auf dem Friedhof des Schlosses einige Gräber gibt, auf denen nur die Jahreszahlen verzeichnet sind. Offenbar sind in diesen Gräbern Siebzehnjährige bestattet worden.“
Angelo Berutti richtete sich auf und seufzte.
„Jetzt wird’s geschäftlich, meine Damen. Das hat seinen Preis.“
„Wieviel?“
Er sagte es ihnen. Verblüfft blickten die Mädchen sich an. Julia aber griff kurz darauf in ihre Handtasche und reichte dem Alten das verlangte Honorar.
„Ich laß es mir von der Marchesa wiedergeben“, erklärte sie.
„Also?“ fragte Carlotta.
„Nun, das ist eine lange und traurige Geschichte“, begann Angelo Berutti. „In den Gräbern liegen tatsächlich siebzehnjährige Mädchen.“
„Mädchen?“ fragte Carlotta Vespari.
Er nickte und blickte sie mit melancholischen Augen an.
„Ja, alles Mädchen mit dem Namen di Cosimo.“
„Di Cosimo?“ entfuhr es Julia. „Das kann nicht sein. Wir haben eine Familiengruft, in der alle aus unserer Familie bestattet worden sind. Es gibt nur einen Stephan di Cosimo, der in den Vereinigten Staaten beerdigt worden ist, er bildet die einzige Ausnahme.“
„Das ist leider ein Irrtum, Julia.“
„Das müssen Sie mir erklären.“ Carlotta Vespari hörte es der Stimme Julias an, daß diese den Alten für einen Betrüger hielt. Sie glaubte ihm einfach nicht, was er gesagt hatte.
„Beginnen wir also ganz am Anfang“, sagte Berutti. „Wie ich aus sicheren Quellen erfahren habe, hat sich im Jahre 1622 eine furchtbare Tragödie auf dem Schloß abgespielt. Simonetta di Cosimo, ein wunderschönes Mädchen mit kohlschwarzen Augen, hat in diesem Jahr ihre siebzehnjährige Zwillingsschwester Angelina aus Eifersucht ermordet. Diese Untat blieb jedoch unentdeckt, bis Simonetta sie auf ihrem Sterbebett gestand.“
Angelo Berutti brach ab, weil die Haustür energisch aufgestoßen wurde. Beunruhigt blickten die beiden Mädchen und der Alte auf den Perlenkettenvorhang. Adriano di Cosimo, der Vetter der Zwillinge, kam erregt herein.
„Die Marchesa verlangt, daß du sofort zum Schloß zurückkehrst“, rief er.
„Ich bleibe.“
„Julia, deine Mutter rast vor Zorn. Wenn du nicht sofort herauskommst, bringt sie dich um. Ich rate dir, komm. Und Ihnen, Carlotta, kann ich nur die gleiche Empfehlung geben, wenn Ihnen Ihre Stellung lieb ist.“
„Ich verstehe nicht“, sagte Julia stammelnd.
„Ich fuhr hier zufällig mit deiner Mutter vorbei, da haben wir den Wagen gesehen. Silvana sagte uns, wo ihr seid.“
„Gehen Sie nur, meine Damen“, bat Berutti, „es ist besser so. Außerdem wird sich eine andere Gelegenheit für eine Fortsetzung des Gespräches ergeben.“
Er lächelte.
„Sie sollen Ihr Honorar nicht umsonst bezahlt haben.“ Das klang wie eine Drohung. Carlotta Vespari sah ihn beunruhigt an, seine Augen glühten vor Haß. Irgend etwas mußte zwischen ihm und der Marchesa vorgefallen sein. Julia und Adriano verließen den Raum. Die Erzieherin wollte noch eine Frage stellen, aber der Alte schüttelte ablehnend den Kopf und schob sie hinaus.
Luisa di Cosimo saß in einem Auto vor dem Haus. Mit eisigem Gesicht wartete sie, bis Adriano sich hinter das Steuer gesetzt hatte, und Carlotta mit Silvana und Julia gestartet war. Dann fuhr sie hinter dem Wagen Carlottas her, als wolle sie ihn zum Schloß zurücktreiben. Wortlos eilte sie danach an ihren Töchtern vorbei ins Schloß.
„Au, verdammt“, sagte Silvana. „An ein paar saftigen Ohrfeigen fehlt nicht mehr viel.“
Carlotta Vespari ging auf ihr Zimmer, zog sich um und telefonierte danach mit Piero die Abbaccio. Er war ebenso überrascht wie erfreut, daß sie sich so schnell meldete. Sie erzählte ihm, was vorgefallen war.
„Ich würde gern in aller Ruhe mit dem Alten sprechen“, sagte sie. „Könnte ich das nicht bei dir tun?“
„Aber selbstverständlich, Carlotta. Wie wäre es mit heute abend um zwanzig Uhr? Ich bestelle Angelo zu mir aufs Gut. Wir werden zusammen bei mir essen, einverstanden?“
„Sehr sogar.“
Sie teilte
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