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0903 - Der Schattenkelch

0903 - Der Schattenkelch

Titel: 0903 - Der Schattenkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Dabei nahm er beiläufig zur Kenntnis, dass sein linkes Handgelenk brach. Wieder blieb der Schmerz aus.
    Er presste die Handfläche gegen das Metall über seinem Kopf (oder, da er lag, besser: hinter seinem Kopf) und drückte mit aller Kraft. Das Einzige, was er damit erreichte, war, dass er seinen Körper nach unten schob. Dennoch drückte er weiter. Kurz bevor die Arme durchgestreckt waren, fühlte er die gleiche Härte und Kälte, die ihn schon von fünf Seiten umgab, auch unter seinen Zehen.
    Kaum dass er den Widerstand spürte, konnte er mit Händen und Füßen in entgegengesetzte Richtungen drücken. Tatsächlich kam plötzlich Bewegung in seinen Untergrund. Es war, als zöge ihn jemand nach hinten weg.
    Eine Erinnerung durchzuckte ihn: drei Flaschen eines guten Rotweins und das anschließende Gefühl, das Bett würde sich bewegen.
    Noch bevor er diesen Gedanken wirklich wahrnehmen und einordnen konnte, war er auch schon wieder verschwunden.
    Da riss die Dunkelheit oberhalb der Hände einen Spaltbreit auf und Licht quoll in das Gefängnis. Er griff in den Spalt hinein, klammerte sich fest und zog.
    Mit Schwung fuhr die große Schublade, in der er lag, auf.
    Als sie zum Stillstand gekommen war, blieb er noch einen Augenblick liegen. An der Decke über ihm glommen einige Lämpchen, die den Raum in schummriges Licht tauchten.
    Er setzte sich auf, schwang sich um neunzig Grad herum, sodass seine Beine über den Rand baumelten, und sprang von der Unterlage. Die Füße patschten auf die Fließen.
    Die Schublade, in der er gelegen hatte, war nur eine von mehreren in einer ganzen Schubladenwand.
    Leichenhalle , schoss es ihm durch den Kopf und verpuffte sofort wieder.
    Er sah an sich herab und entdeckte ein Schildchen, das man ihm an den großen Zeh gebunden hatte. Er riss es ab und starrte es an. Die Zeichen darauf konnte er nicht erkennen, aber er wusste, dass er sie früher hätte lesen können. Früher, als er noch gelebt hatte.
    Ein letztes Mal kroch ein Erinnerungsfetzen durch sein totes Gehirn: ein Kelch, der auf ihn zuflog und ihn traf. Dann ein Name. Clement Luynes.
    Schließlich zerstoben auch diese Gedanken und ließen ein untotes Hirn zurück. Jemand anderer übernahm die Kontrolle. Er hätte in Luynes Erinnerungen lesen können wie in einem Buch, doch er tat es nicht. Was interessierte es ihn, was Parfüm war, warum sich nach drei Flaschen Rotwein ein Bett bewegte oder was es mit einer Leichenhalle auf sich hatte? Er war nur getrieben von dem Auftrag, den er zu erfüllen hatte.
    Clement Luynes' Körper verließ den Raum durch die zweiflügelige Glastür und landete in einem ebenfalls nur spärlich beleuchteten Gang. An der Wand gegenüber entdeckte er ein Schild, auf dem ein stilisierter Mann auf eine Tür zulief. Darunter zeigte ein Pfeil nach rechts.
    Der Untote folgte der Beschilderung und gelangte schließlich in die Eingangshalle.
    »Halt, stehen bleiben!« Die Stimme klang wie Donner in einer Gewitternacht.
    Luynes machte noch zwei Schritte, dann kam er der Aufforderung nach.
    »Was für ein Freak bist du denn? Hier nachts nackt herumzustromern! Das darf ja wohl nicht wahr sein. Los, umdrehen!«
    Clement Luynes zögerte einen Augenblick. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen und durfte sich nicht behindern lassen. Sein untotes Gehirn und der, der es steuerte, befahlen ihm, weiterzugehen. Kein Mensch würde ihn aufhalten können.
    »Na los, mach schon, du Freak! Du treibst hier keinen Unfug! Nicht in George Sagalles Nachtschicht!«
    Andrerseits wäre der Mann mit der Donnerstimme ein Zeuge, der unverzüglich die Polizei rufen würde. Doch was sollten die ihm schon anhaben?
    Da spürte Luynes eine Hand auf der Schulter, die ihn herumzog.
    Gut, du hast es nicht anders gewollt.
    Luynes drehte sich um und sah einem Mann in Uniform in die Augen. Ein Nachtwächter.
    »Also, was hast du hier…«
    George Sagalles Blick fiel auf die klaffende Wunde in Clement Luynes' Schädel.
    »Ach, du Scheiße!«, hauchte er.
    Er drehte sich um und wollte weglaufen, doch er war zu langsam. Luynes' Hände fuhren hoch, packten Sagalle links und rechts am Kopf und brachen ihm mit einem kurzen Ruck das Genick.
    Der Untote ließ die Leiche zu Boden sinken, sah sie noch einen Moment an, wandte sich um und ging zum Ausgang des Gebäudes. Als er bemerkte, dass die Tür verschlossen war, kehrte er noch einmal um und durchsuchte den toten Nachtwächter. Er fand den Schlüssel an einer Kette in der Hosentasche.
    Luynes riss den

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