0904 - Ein teuflischer Verführer
erklären, es war einfach furchtbar. Ryan stopfte sie in die Säule hinein, und zwar über den Körper der anderen hinweg. Die Beine der jungen Frau verschwanden, als würden sie in einen weichen Schlamm hineingedrückt.
Schräg glitten sie dabei in die Säule hinein. Vera fiel ein, daß sie bei den anderen Opfern nur die Oberkörper und die Köpfe gesehen hatte, aber nie die Beine.
Ryan ließ sie los.
Dann ging er einen Schritt zurück und reagierte wie ein Mensch, der sich als Sieger fühlte, denn er rieb seine Knochenhände, als wären sie normal und mit Haut überzogen.
Er mußte zu seinem neuen Opfer hochschauen.
Das Knochengesicht war so unnatürlich bleich. Es konnte nicht grinsen, dennoch hatte sie den Eindruck, von diesem fürchterlichen Wesen angegrinst zu werden.
»Es ist geschafft!« sagte er und hatte wieder Mühe, seine Stimme zu halten. »Ich habe es geschafft, ich habe dich geopfert, die Opfersäule wird dich verschlingen und mir in diesem Augenblick eine neue Existenz geben. Ich werde nicht mehr der gleiche sein wie zuvor, aber ich werde auf der Welt bleiben, die du verlassen hast. Du wirst noch einmal erkennen können, daß es zwischen dieser Dimension und der normalen Welt eine Verbindung gibt. Noch einmal wird sich das Tor öffnen, aber nicht, um dich zu entlassen, sondern einzig und allein mich.« Er lachte, sein Knochenschädel wackelte, und plötzlich tauchte wieder die schwarze Wolke auf, als wäre sie ein Versteck für den Teufel.
Vera Tanner hing in ihrer Schräglage und konnte nichts daran ändern. Die Arme hielt sie noch vorgestreckt, als wollte sie mit den Händen nach einem Gegenstand greifen, um sich dort festzuhalten, aber sie faßte ins Leere, und sie spürte zugleich, wie der Druck an ihren Füßen zunahm.
Dort preßte sich etwas zusammen, die Macht der anderen Seite würde dafür sorgen, daß sie versteinerte und ihre Haut verfaulte.
Noch konnte sie schreien.
Nicht laut, dazu war sie nicht mehr in der Lage. Wimmernde Laute drangen aus ihrem Mund. Man hätte sie als zum Steineerweichen bezeichnen können, aber der Stein blieb hart und drückte sich noch stärker um sie zusammen, wobei er höher wanderte und schon längst die Waden der Gefangenen erreicht hatte.
Die Kraft würde weiterwandern, sie würde über ihre Taille hinwegstreichen, sie noch härter umklammern und schließlich für den Stillstand des Herzens und auch für den Tod sorgen.
Das bleiche Skelett stand da und »schaute« zu.
Und die Wolke kam näher.
Sie schob sich lautlos heran. Als die ersten Ausläufer Ryan und auch Vera erreichten, da fühlte sich zumindest die junge Frau wie von durchsichtigen Schatten eingehüllt. Doch die Dichte der Wolke ließ sich nicht aufhalten. Immer stärker und schneller drängte sich das Zentrum der im Pfahl steckenden Frau entgegen, und sie hörte aus der Wolke heraus die Stimme ihres teuflischen Geliebten.
»Noch einmal wirst du deine Welt sehen, dann ist es vorbei…«
Vorbei, vorbei echote es in ihrem Kopf.
Während sich Lou Ryan auf seine neue Gestalt freute, bereitete sich Vera Tanner auf ihren Tod vor…
***
Ich hatte mich nicht getäuscht, es war vorhanden, und ich blieb stehen, ohne mich zu rühren. Mein Blick war einzig und allein auf das Kreuz in der offenen linken Handfläche gerichtet, und ich fragte mich automatisch, aus welchem Grund es jetzt reagierte. Irgend etwas mußte passiert sein, wovon wir alle hier zwischen den Steinen keine Ahnung hatten.
Zumindest Suko und Tanner war meine Haltung aufgefallen. Ich hörte den Chief Inspector flüstern:
»Was hast du, John?«
»Noch nichts«, antwortete ich, ohne mich dabei umzudrehen.
»Aber du…«
»Bitte, Tanner.«
»Okay, verstanden.«
Meine Konzentration blieb. Ich merkte, wie sich etwas näherte. Es war nur ein Gefühl, und dieses andere konnte ich auch nicht sehen, ich spürte es einfach durch mein Kreuz, über das Wärmeströme schossen, wieder vergingen, zurückkehrten, während ein seltsam graues Licht über meine Hand hinwegzuckte.
Suko kam auf mich zu. Ich hörte zuerst seine Tritte, dann auch seine Stimme. Er riet mir, zum Mond hochzuschauen. Suko tat so etwas nicht grundlos, und so blickte ich nach oben.
Der Mond war noch da. Aber er sah nicht mehr so klar aus wie noch vor wenigen Minuten. Eine dünne Wolke hatte sich vor ihn geschoben. Ich wunderte mich darüber, daß Suko mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Ich wollte gerade nachfragen, als mir der Grund auffiel.
Die Wolke war zwar
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