0905 - Puppenterror
sagte er, bückte sich und öffnete eine Werkzeugkiste. Als ich hochschaute, sah ich die halbvolle Flasche Gin zwischen seinen Fingern. »Wie wär's damit?«
»Einen Schluck kann ich vertragen.«
»Ich auch«, sagte er, zog den Korken hervor und reichte mir die Flasche als erstem.
»Danke«, sagte ich. Aus der Öffnung gluckerte der Gin in meinen Mund. Ich schluckte ihn und spürte, wie sich ein warmer Strahl in Richtung Magen bewegte. Nach dieser verdammten und auch vergeblichen Jagd tat es gut, etwas Echtes zu spüren. Ich stellte die Flasche auf den Tisch und flüsterte: »Danke.«
Auch Slim Baker trank. Dann setzte er sich schräg auf den Stuhl, damit er die Kaffeemaschine im Augen behalten konnte. Seine Mütze hatte er abgenommen. Wie ein grauer Pfannkuchen lag sie auf der Tischplatte und wurde von Bakers rechter Hand noch platter gedrückt.
Wir hatten uns zurückgezogen, weil wir nicht gestört werden wollten. Fragen wollten ich jetzt nicht hören, ich mußte erst das Erlebte verdauen.
Und Slim Baker ebenfalls, der sich plötzlich erhob, zwei Tassen neben die Maschine stellte und sie füllte. »Milch und Zucker haben wir leider nicht.«
»Das spielt auch keine Rolle.«
»Okay, denn.« Er schob mir eine Tasse zu. »Trinken wir darauf, daß Sie es geschafft haben.«
Ich verbrannte mir beinahe die Lippen, so heiß war das Zeug. Dann fragte ich: »Was denn geschafft?«
»Na ja, die Puppe gibt es nicht mehr.«
Ich verzog die Lippen und schaute zum Fenster, das nicht aus Glas, sondern aus irgendeinem gelblichen Kunststoff bestand und nicht viel Licht hereinließ. »Was habe ich schon getan? Die Puppe ist mir entwischt und hat sich in einen Schredder gestürzt. Das ist alles. Ich war äußerst passiv dabei.«
»Zumindest haben Sie dafür gesorgt, daß sich die Puppe«, Baker mußte selbst lachen, »das Leben nahm.«
»Da haben Sie recht.«
»Und wie geht es weiter?«
»Ich habe keine Ahnung. Für mich ist erst einmal interessant, woher dieses Ding überhaupt kam und wodurch es lebte.«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Sir. Ich habe nur gesehen, daß die Puppe existierte, und so etwas ist schlimm genug.«
»Nur die eine?« fragte ich.
Ich hörte Baker durch die Nase einatmen. »Wenn ich das wüßte. Für mich sehen Schaufensterpuppen alle gleich aus. Ich kann da keine Unterschiede feststellen.«
»Da geht es Ihnen wie mir.«
»Und wie kommen wir zurecht?«
Ich trank meine Tasse leer. Das Zeug schmeckte bitter, schlimmer als der Automaten-Kaffee beim Yard. Es würde lange dauern, bis ich den Geschmack aus dem Mund bekam. »Sie hätten mich etwas Leichteres fragen sollen, Mr. Baker. Ich komme im Moment nicht zurecht. Ich stehe vor einem Rätsel.«
»Darf ich bei dem Wort stehen einmal einhaken?«
»Bitte.«
»Sie haben die Puppe doch aus unmittelbarer Nähe gesehen, Mr. Sinclair. Sie haben sogar mit ihr gekämpft. Sie haben das Ding angefaßt. Sie selbst sind angefaßt worden. Ist Ihnen dabei nichts aufgefallen? An der Puppe, meine ich. Hatte sie vielleicht irgendwelche Besonderheiten, haben Sie das Geräusch eines Motors gehört, war sie ferngelenkt…?«
»Nein.«
»Aber wie konnte sie sich bewegen? Oder ist das schon die neue Generation der Roboter gewesen?«
»Auch nicht.«
»Dann bin ich ratlos.« Er setzte das zur Antwort passende Gesicht auf.
»Das kann ich gut verstehen, Mr. Baker. Diese Puppe war kein Roboter, sie war auch nicht ferngelenkt, sie lebte einfach so, wenn ich das mal sagen darf.«
»Einfach so…«
»Richtig.«
»Kann eine Puppe so etwas?«
»Ja.«
Baker stöhnte auf. »Wobei wir wieder beim Thema wären.«
»Da gebe ich Ihnen recht. Sie haben von mir eine Lösung verlangt. Ich kann Sie Ihnen nicht konkret geben, sondern mehr global, und da meine ich, daß es eine Erklärung gibt.« Ich legte eine kurze Pause ein. »Magie, Mr. Baker, Magie.«
»Ach.« Er schaute mich an, als hätte ich ihm etwas Fürchterliches gesagt. »Das ist doch nicht möglich. Magie und Zauberspuk, so etwas kann es nicht in der Wirklichkeit geben.«
Ich lächelte etwas schief. »Lassen Sie uns darüber bitte nicht diskutieren, das würde zu weit führen. Ich will Ihnen nur sägen, daß ich nicht grundlos zu Ihnen gekommen bin. Sie haben gewissermaßen Alarm geschlagen, und wir haben reagiert. Ich gehöre einer kleinen Gruppe von Beamten an, die sich um ungewöhnliche Fälle kümmert. Dinge, die kaum zu fassen sind, rätselhafte Vorgänge und Ereignisse, und ich bin sicher, daß das
Weitere Kostenlose Bücher