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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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»Ein mordender Geist, ein alter Römer. Sie waren im Theater, jetzt haben Sie ihn selbst gesehen.«
    »Geglaubt haben wir Ihnen aber auch vorher schon«, warf Zamorra ein, doch Scheuerer reagierte nicht auf die hörbare Spitze in seinen Worten. »Wunderbar«, sagte der selbst ernannte Fernsehstar schlicht. »Dann können wir reden. Aber nicht jetzt. Treffen Sie mich doch nach dem Frühstück in St. Peter, dem Trierer Dom. Gleich in der City, den können Sie gar nicht verfehlen. Ich möchte Ihnen dort etwas zeigen, dringend. Sagen wir um neun Uhr?«
    Zamorra rollte mit den Augen und ließ sich in gespielter Theatralik wieder aufs Bett fallen, doch Nicole sagte sofort zu. »Machen wir, bis morgen dann. Gute Nacht.«
    »Neun Uhr«, seufzte der Professor, als Scheuerer wieder aufgelegt hatte. »Da bleibt uns ja nicht mehr viel Zeit.«
    »Wofür«, fragte sie, einen Moment lang irritiert.
    Er lächelte und strich langsam mit der Hand über die Matratze. »Komm her, und ich zeig's dir.«
    ***
    Johann Bechtel fror.
    Der alte Winzer saß in seinem Büro, vor sich die Bücher, und Belege des Unternehmens, und so oft er auch rechnete, nachdachte und plante, kam er doch auf keinen grünen Zweig. So wütend Kreiner ihn heute Nachmittag gemacht hatte - ganz unrecht hatte der Banker nicht gehabt, das musste Bechtel ihm zugestehen.
    Ächzend erhob sich Johann aus seinem Sessel und schritt zum Kamin, der in die hintere Wand des Raumes eingelassen war. Eigentlich diente der Kamin, obschon voll funktionsfähig, nur dekorativen Zwecken, doch heute Nacht hatte er ihn angefeuert. Zitternd stellte sich Johann vor die Flammen, streckte die Hände aus und versuchte, sich an dem prasselnden Feuer zu wärmen. Doch es wollte ihm nicht gelingen.
    Wurde er etwa krank? War die Kälte eine körperliche Reaktion auf seine Sorgen, auf die finanzielle Lage? Oder kam sie aus dem gleichen Winkel seines Geistes, aus dem auch die Angst entstammte, die ihn mehr noch als die Geldprobleme am Schlafen hinderte. Die Angst, die zu akzeptieren sich Johann partout weigerte. Angst vor dem ( Wesen ) Mann im Weinberg.
    Stunden war es her, dass er dieses unheimliche Erlebnis gehabt hatte, und obwohl sich Bechtel noch immer nicht erklären konnte, was genau da oben auf dem Moselhang geschehen war, wusste er doch instinktiv, dass er besser nicht darüber nachdachte. Es sei denn, er legte Wert darauf, sein in Jahrzehnten der Sturheit und Zielstrebigkeit aufgebautes Weltbild zu zerstören.
    Holz knackte, und die Flammen warfen einen angenehm beruhigenden rötlichen Schein auf die Möbel und den Teppich. Abgesehen von ihm und dem Licht der kleinen Schreibtischlampe war es dunkel im Raum, vermutlich sogar im ganzen Haus. Gudrun war schon vor Stunden schlafen gegangen. Sie hatte eine Tablette genommen, sonst hätte auch sie kein Auge zugetan - die Nachricht von Peters Tod, welche die Polizisten, die vor einigen Stunden da gewesen waren, überbracht hatten, hatte Johanns Gattin doch schwer getroffen.
    Ihn nicht. Zum einen plagten ihn momentan ganz andere Sorgen, und zum anderen hatte ihn sein jüngerer Bruder noch nie wirklich interessiert. Schauspieler, so ein Quatsch! Traumtänzer war er gewesen, kein Realist wie Johann. Kein Macher.
    Ein leises Geräusch riss den Winzer aus seinen Gedanken. Es kam von draußen, und es klang wie… war das Hagel? Um diese Jahreszeit? Sollte sich etwa ein Unwetter zusammengebraut haben? Welch furchtbarer Gedanke. Ein kräftiger Hagelschauer wäre Gift für seine Trauben, oben auf dem Weinberg!
    Im Nu war Johann am Fenster, öffnete es und zog die schweren Jalousien hoch. Doch anstelle eines Unwetters sah er nur den Sternenhimmel, klar und wolkenlos. Und…
    Erschrocken wich Bechtel zurück, als sich ein Schemen aus der Schwärze der Nacht loste. Ein stattlicher Rabe flog geradewegs auf das offene Fenster zu und war schon in den Raum geflattert, bevor Johann es schließen konnte.
    »Was zum…«, knurrte der Winzer ungehalten, hob die Arme und versuchte, das Tier wieder nach draußen zu scheuchen. Doch der nächtliche Besucher ignorierte seine Bemühungen tunlichst. Mit wenigen Flügelschlägen hatte er sich auf den Hirschkopf befördert, der über dem Kamin an der Wand hing - Relikt einer längst vergangenen Jagd in der Eifel - und machte keinerlei Anstalten, diese Position wieder aufzugeben.
    »Hau ab«, sagte Johann, »raus!« Und wieder hob er die Hände, als wolle er das Tier erschrecken und vertreiben. Schließlich griff er sogar in

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