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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Backstage-Bereich des Amphitheaters bahnte.
    »Wird Zeit, dass wir uns zurückziehen«, sagte Zamorra knapp und beendete die Zeitschau . Dann ergriff er Nicoles angebotenen Arm, zog sich aus der Hocke hoch, und gemeinsam verließen sie die Anlage.
    ***
    »Dann sind wir uns also einig, dass Zeit eine entscheidende Rolle spielt«, fasste Nicole zusammen. Seit über zwei Stunden saßen sie und Zamorra nun schon in ihrem gemeinsamen Hotelzimmer in der Trierer Innenstadt und diskutierten die Ereignisse des heutigen Tages. Auf dem Beistelltisch in der hinteren Ecke des Raumes zeugten zwei leere Wasserflaschen und ein nur noch halb voller Teller mit belegten Brötchen, beides einst vom Zimmerservice geliefert, von der Dauer ihres Gesprächs.
    »Und dass der Speer eine größere Bedeutung hat«, ergänzte Zamorra nickend und schluckte die Reste eines Käsebrötchens hinunter, an dem er gekaut hatte. Auch wenn es schon weit nach Mitternacht war - gleich halb drei, wenn man den Ansagen des Moderators glauben mochte, die aus dem im Hintergrund leise dudelnden Radio drangen - und sie beide noch nicht geschlafen hatten, hatte die Phase des Sitzens und Redens dem Professor sichtlich gut getan. Er wirkte frischer und lebendiger als nach der Begegnung mit dem unheimlichen Legionär; als hätte die Pause in ihrem Zimmer schon genügt, um seine Batterien wieder aufzuladen. Entspannt lehnte er sich zurück und ließ sich auf das Bett fallen, auf dem er gerade saß.
    »Eripe me«, murmelte er gedankenverloren. »So hat er gesagt, als wir uns gegenüberstanden. Eripe me. Wenn mich meine Lateinkenntnisse nicht trügen, war das eine Bitte um Erlösung, um Befreiung. Aber von welcher Last?«
    »Als du ihn danach fragtest, wurde er aggressiv«, warf Nicole ein.
    »Aber nicht wegen der Frage«, entgegnete er sofort. »Das konnte ich ihm ansehen. Es war ihm egal, was ich sagte. Es war einfach nicht die Reaktion, die er haben wollte.«
    »Und welche wäre das?«
    »Das ist der Punkt.«
    Eripe me. So lange Nicole auch grübelte, sie kam zu keinem Ergebnis. »Hat Scheuerer nicht gesagt«, unterbrach Zamorra ihre Gedanken, »dass dem gestrigen Mord auch ein Gesprächsversuch vorausging? Und auf der Bühne hat der Legionär ebenfalls geredet. Was, wenn es immer derselbe Satz war, dieselbe Aufforderung?«
    Sie nickte. »Und wer sie nicht sofort erfüllt; bekommt den Speer zu spüren? Sehr geduldig ist unser Knabe ja nicht gerade…«
    Abwehrend hob er die Hand. »Aber auch nicht nur wütend. Als er zum ersten Mal zu mir sprach, wirkte er einfach müde. Wie jemand, der wirklich und aufrichtig ausgelaugt war und, ja, eben um Erlösung bat.«
    Phil Collins, der im Radio gerade nachtaffin einer Verflossenen hinterher gesungen hatte, verstummte und machte einem lauten Piepen Platz, mit welchem sich die halbstündig erfolgenden Nachrichten ankündigten. »Zwei Uhr dreißig«, hörte Nicole den Moderator sagen. »Hier ist RPR1 mit den Nachrichten, am Mikrofon Dirk Olaf Schilp. Trier. Im Rahmen einer Shakespeare-Aufführung kam es am vergangenen Abend…«
    Still lauschten Zamorra und Nicole, beide in ihre Gedanken vertieft, den Meldungen, die der Sprecher im Plauderton verlies. In knappen Worten berichtete er, was die Polizei bisher über den Vorfall freigegeben hatte. Wie erwartet, ging man von einem Anschlag mit Täterflucht aus. Der Verletzte, ein gewisser Peter Bechtel, sei inzwischen im Krankenhaus verstorben. »Der aus der Region stammende Bechtel hatte gewissermaßen ein Heimspiel im Amphitheater«, fuhr Schilp fort, »war er doch mit den Inhabern eines Trierer Weinguts verwandtschaftlich verbunden. Ein Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und seiner Ermordung wird laut Polizeiangaben jedoch nicht vermutet. Und nun zum Sport…«
    Nicole drehte sich in ihrem Stuhl zum Tisch um, auf dem ihr Laptop stand, und googelte den Namen des Winzers. Im Nu hatte sie die Homepage des Betriebes gefunden. Zamorra zog die Stirn in Falten, sichtlich unbeeindruckt. »Weingut Bechtel, hm. Hilft uns auch nicht weiter.«
    Er wollte sich gerade eine weitere Brötchenhälfte angeln, als sein Handy klingelte. Es war Scheuerer. Mit einem leisen Seufzer stellte Zamorra das Gerät auf die Lautsprecherfunktion, damit Nicole mithören konnte.
    »Glauben Sie mir jetzt?«, fragte Scheuerer, ohne sich mit langen Begrüßungsfloskeln aufzuhalten. Trotz der späten Stunde wirkte der Deutsche in keinster Weise so, als befürchte er, sie und den Professor mit seinem Anruf zu wecken.

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