0908 - Das Golem-Trio
Furcht nahm zu, und mir passierte etwas, womit ich eigentlich nie gerechnet hatte.
Ich traute mich nicht, mein vor der Brust hängendes Kreuz anzufassen, um herauszufinden, ob es sich erwärmt hatte. Wäre es der Fall gewesen, dann hätte ich eine Bestätigung dessen erhalten, was ich in meinem Innern bereits befürchtet hatte.
Einen Angriff.
Die Attacke aus dem Unsichtbaren, von der anderen, der schwarzmagischen Seite. Einen Angriff der Hölle, des Bösen, des…
Verdammt auch!
Ich wollt nicht mehr weiter darüber nachdenken. Ich mußte mich einfach zusammenreißen, aber es fiel mir nicht leicht. Durchatmen, tief und ruhig durchatmen, das war am besten. Nur so konnte ich zur Ruhe kommen.
Es gab ja keine unmittelbare Gefahr, ich machte mir da einfach etwas vor.
Nein, du machst dir nichts vor.
Sofort erwischte mich das Gegenargument, das mich durcheinanderbrachte. Trotzdem griff ich zu meinem Besteck, um wenigstens einige Bissen zu essen.
Das Fleisch erwies sich als ziemlich zäh. Ich aß es trotzdem, weil die Soße würzig war. So brauchte ich auch nichts nachzusalzen.
Als die Stewardeß wieder zurückkehrte, bat ich sie um einen Whisky.
»Gern, Sir, Scotch oder Bourbon?«
»Scotch, bitte.«
Sie leerte den Inhalt einer kleinen Flasche in ein Glas, und reichte es mir. Für einen Moment hielt ich das Glas und auch ihre Hand fest.
Erstaunt schaute sie mich an und hörte auch meine Frage. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja, Sir.« Sie lachte. »Was sollte denn nicht in Ordnung sein? Schauen Sie aus dem Fenster, wir haben ideale Bedingungen. Besseres Wetter können wir uns nicht wünschen. Oder fliegen Sie zum erstenmal?«
»Nein, nein, es war auch nur eine Frage.«
»Die ich mit gutem Gewissen bejahen kann. Es ist wirklich alles in Ordnung.«
»Danke.«
Sie schob den Wagen weiter. Ich hob das Glas an und trank den Schluck Natur, der an weite Felder erinnerte.
Eigentlich positive Gedanken, aber die anderen wollten mir nicht aus dem Kopf. Ich verfolgte bewußt den Strom durch die Kehle hinab in meinen Magen und dachte an die Gedanken, die mich störten. Ich hatte das Bedürfnis mich ihnen stellen zu müssen, denn nur so konnte ich mit ihnen fertig werden; so glaubte ich zumindest.
Ich ging jetzt davon aus, daß eine Kraft, welche auch immer, irgendwo im Hintergrund lauerte und es auf mich abgesehen hatte. Sie wollte einfach in mich eindringen, und sie würde dafür sorgen, daß ich nicht zur Ruhe kam. Ich wurde tatsächlich unruhig. Meine Gedanken liefen kreuz und quer, und sie waren wie Blitze, die sich gegenseitig erwischten und somit aufhoben. Ich dachte darüber nach, was mich störte.
Irgend jemand hatte es auf mich abgesehen.
Über diese Vermutung konnte ich eigentlich nur lachen, denn es gab viele Gestalten, die mir den Tod geschworen hatten. Ich wollte sie nicht alle aufzählen, und es hätte mir auch nicht soviel ausgemacht, hätte ich nicht in einem Flugzeug gesessen.
Ich schaute aus dem Fenster, erkannte Flüsse und Berge tief unter mir, aber so interessant die Landschaft aus dieser Perspektive auch sein mochte, es kümmerte mich nicht mehr.
Anderes war wichtiger. Aber was beschäftigte mich so intensiv?
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Wenn ich mich umschaute oder auch nur die Ohren spitzte, war wirklich nichts zu hören. Alles in dieser Maschine lief normal ab, es gab keinen Grund zur Beunruhigung. Die Kinder, die weiter hinten saßen, hatten es auf ihren Sitzen nicht mehr ausgehalten. Es war ihnen dort zu langweilig geworden, sie liefen durch den Gang und schauten sich die erwachsenen Passagiere an. Manche Fluggäste lächelten, andere nahmen die Kinder nicht zur Kenntnis und vertieften sich wieder in ihre Lektüre. Wieder andere schauten stur geradeaus, in sich selbst versunken.
Ich lächelte einem kleinen Mädchen zu. In seinem blonden Haar schimmerten hellrote Schleifen, nett gefaltet, und auf den blauen Jeans klebten Schmetterlinge.
»Fliegst du auch nach London?« fragte mich das Mädchen.
»Ja.«
»Wir auch.«
»Wohnt ihr dort?«
Die Kleine nickte. »Wir haben in Germany Freunde besucht. Ich fliege zum ersten Mal. Du auch?«
»Nein.«
»Findest du es toll?«
»Klar. Du nicht?«
»Und wie?« Das Mädchen schaute sich um und turnte dabei auf einem Bein. »Ich bin richtig froh, aber meine Eltern nicht.«
»Warum nicht? Was ist mit ihnen?«
»Ach«, sie winkte ab. »Die sind müde und schlafen. Könnte ich nicht, ehrlich.«
»Sie haben es sich bestimmt
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