0908 - Höllenbrut
würde, aber er sah keine andere Chance. Mit gezerrten Bändern und gerissenen Muskeln würde ihm ein Kampf schwerfallen. Selbst durchtrainiert und kampferprobt wie Professor Zamorra es normalerweise war, konnte er sich eines Sieges nicht sicher sein, selbst wenn er sich, wie Jared es ihm angeboten hatte, noch eine Nacht ausruhen würde. Aber dazu hatte er keine Zeit.
Zwei Dinge sagte ihm sein Instinkt. Die Zeit war gegen ihn - und er musste auf diesen Kampf so gut wie möglich vorbereitet sein. Um zu erfahren, wohin der Dämon Nicole gebracht hatte, musste er gewinnen, gegen was oder wen auch immer. Und dazu musste er auch körperlich bereit sein.
Zamorra würde nicht noch einmal den Fehler machen und die Gefahr unterschätzten, die von den Mal'akin und ihren Prüfungen ausging. Und auf die Hilfe von Merlins Stern konnte er sich immer weniger verlassen, zu oft hatten sich die Reaktionen des Amuletts in gefährlichen Situationen als unzuverlässig und unvorhersagbar erwiesen, zu oft hatte es sich geweigert, den Befehlen seines Meisters zu gehorchen.
Der Dhyarra eignete sich auch nicht als direkte Waffe. Der Anwender brauchte Ruhe, um ein klares Bild zu erschaffen und so die Kräfte des Machtkristalls zu lenken. Ruhe, die einem in brenzligen Situationen selten zur Verfügung stand.
Zamorra wünschte sich, dass Nicole den Dhyarra bei sich gehabt hätte, als sie der Dämon entführte. Er würde sich wohler fühlen, wenn er wüsste, dass ihr eine Waffe zur Verfügung stünde.
Dass Nicole bisher noch nicht Merlins Stern zu sich gerufen hatte, beruhigte ihn. Er war sicher, sollte es für seine Geliebte brenzlig werden, würde sie nicht zögern, die mächtige Waffe durch Gedankenbefehl zu sich zu holen. Aus der Tatsache, dass sie es noch nicht getan hatte, schloss er, dass es ihr relativ gut ging. Die andere Möglichkeit, dass sie vielleicht schlicht nicht in der Lage war, ignorierte Zamorra bewusst. Es brachte nichts, sich deswegen verrückt zu machen. Er konnte nichts an der Situation ändern, nur so schnell wie möglich einen Weg suchen, Nicole zu finden und zu befreien. Und die Prüfung zu bestehen, erschien ihm der schnellste aller Wege zu sein.
Jemand räusperte sich hinter ihm.
»Bist du bereit?«, hörte er die tiefe Stimme Jareds hinter sich.
Zamorra ließ probeweise die Schultern kreisen. Ihm gefiel das geschmeidige Gefühl, mit dem seine Muskeln gehorchten.
»So bereit, wie ich sein kann.« Zamorra öffnete die Augen und sah den älteren Mann ruhig an. »Lass uns mit dieser Farce beginnen.«
***
Ruhig zog sich der Meister des Übersinnlichen sein zerrissenes Jackett über das nicht besser aussehende Hemd und folgte Jared aus dem Dorf.
Nur wenige Meter von Oxalis entfernt hatten die Dorfbewohner zwischen den Feldern eine improvisierte Arena errichtet. Ein brusthoher Zaun aus Holzlatten umschloss ein fast zehn mal zehn Meter großes Stück Wiese, um den Erwachsene wie Kinder jetzt standen und ihm erwartungsvoll entgegensahen.
Sie warten auf die Show , dachte sich Zamorra bitter. Brot und Spiele, da standen schon die alten Römer drauf. Wut stieg heiß in ihm auf. Er unterdrückte sie wieder, wie er es auch mühsam im Labyrinth getan hatte. Ziellose Wut konnte ihm den Kopf kosten, oder schlimmer, verhindern, dass er Nicole wiederfand.
Mit zügigen Schritten ging er hinter Jared zur Arena, wortlos machten ihnen die Männer Platz. Vor dem Zaun hielt Zamorra an. Eine große Holzkiste stand in einer Ecke, aus der ein unirdischer schriller Schrei ertönte. Die Kiste bebte unter den Angriffen, mit denen das gefangene Wesen es von innen attackierte. Johann und der schmale Asiat standen mit Knüppeln neben der Kiste und beäugten sie wachsam.
Merlins Stern erwärmte sich leicht, Zamorra lächelte zynisch. Wenn das kein Dämon war, den ihm die Bewohner Oxalis da präsentierten, wollte er nicht mehr der Meister des Übersinnlichen sein. Er hatte sich schon gefragt, gegen wen er kämpfen sollte - und gehofft, dass es niemand der Männer sein würde.
Der Parapsychologe hegte keinerlei Zweifel, wie die Konsequenz einer nicht bestandenen Prüfung aussah.
Wenn ein Neuankömmling sich erst gegen einen der bereits hier lebenden Männern würde durchsetzen müssen, wäre das dem späteren friedlichen Zusammenleben bestimmt nicht zuträglich. Würde der Neuankömmling verlieren, wäre sein Tod kein Verlust für das Dorf - die Mal'akin würden garantiert keine Energie darauf verschwenden, einen Verlierer zurück in
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