091 - Ein Geist kehrt zurück
»Heute läßt du aber keinen aus. Bist du mit dem linken Fuß aufgestanden?«
»Muß er doch, wenn er zwei linke Füße hat«, sagte Noel Bannister und brüllte vor Vergnügen.
Dafür revanchierte sich der Ex-Dämon auf seine Weise. Er schaute Noel Bannister nur an, und er erreichte mit der starken hypnotischen Kraft seines Blicks, daß der CIA-Agent reichlich Salz in seinen schwarzen Kaffee tat, ordentlich umrührte und einen kräftigen Schluck von dieser ungenießbaren Brühe nahm.
Als Noel dann wie der Blitz hinausraste, lachte Mr. Silver brüllend.
»Ihr benehmt euch wie kleine Jungs«, sagte Roxane kopfschüttelnd.
»Hättest du lieber einen Griesgram zum Freund, der sich selbst nicht ausstehen kann?« erwiderte Mr. Silver.
Noel kam zurück. Er trug dem Ex-Dämon nichts nach. Er wußte, daß man bei solchen Auseinandersetzungen zumeist den kürzeren zog. Mir erging es nicht anders.
Noel Bannister und ich verfügten eben nicht über die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Ex-Dämons.
»Ich hoffe, daß ihr nun friedlich seid«, sagte Vicky Bonney und holte eine neue Tasse für Noel.
Ich sagte, ich würde nach dem Frühstück zu Pater Severin fahren.
»Ich begleite dich«, sagte Mr. Silver.
Vicky Bonney wollte mit Jubilee und Roxane einen Einkaufsbummel machen. Sie sagte zu Noel Bannister, drei hübsche Mädchen könnten einen männlichen Beschützer gebrauchen, und er behauptete, es wäre ihm eine Ehre, die drei Grazien begleiten zu dürfen.
Wie ich Pater Severin antreffen würde, wußte ich. Mich interessierte vor allem die Stellungnahme des Werwolfjägers aus Kanada. Wie schätzte Terence Pasquanell seine Chancen ab? Würde er diese schwierige Aufgabe meistern?
Als ich meine letzte Toastscheibe mit Schinken verdrückt hatte, beendete ich das Frühstück.
Mr. Silver holte meinen schwarzen Rover aus der Garage. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und überließ es ihm, mich zu Pater Severin zu bringen.
***
Schwester Sandra fuhr mit dem Bus nach Hause. Sie war müde, hatte keinen Sitzplatz bekommen und mußte stehen. Sie hielt sich mit der unverletzten Linken an der Griffstange fest.
In ihrer rechten Hand war ein leichtes Brennen, ein dumpfes Pochen. Kein Schmerz. Sie brauchte nur an die Ratte zu denken, da stiegen gleich wieder Wut und Abscheu in ihr hoch.
Sie hoffte, daß das Biest inzwischen erlegt worden war. Noch mal wollte sie den Nager nicht sehen.
Eine Ratte mit Stan Vandells Augen!
Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen, weil sie nicht wollte, daß man sie für verrückt hielt, doch jetzt, wo sie Zeit zum Nachdenken hatte, kamen ihr die irrsten Dinge in den Sinn.
Plötzlich erinnerte sie sich an die Lehre von der Seelenwanderung. War es denkbar, daß Vandells Seele in den Körper dieser Ratte geschlüpft war?
Ich wollte Vandell erschlagen! durchzuckte es Schwester Sandra, aber im nächsten Moment rief sie sich selbst zur Ordnung und verbot sich, so hirnrissige Gedanken aufkommen zu lassen.
Vor lauter Sinnieren hätte sie beinahe ihre Haltestelle verpaßt. Jemand stieß sie an, wollte an ihr vorbei. Da begriff sie, daß sie ebenfalls aussteigen mußte und begab sich zur Tür.
Von der Haltestelle waren es nur noch drei Minuten bis zu dem Haus, in dem sie wohnte. Wieder dachte sie an die Ratte, und vor ihrem geistigen Auge erschien das große, kräftige Tier. Klar und deutlich sah sie Vandells Augen.
Kälte kroch durch ihren rechten Arm. Die Hand pochte dumpf. Hatte Dr. Stephen den Verband zu fest angelegt? Sie prüfte das sofort nach. Nein, der Verband war in Ordnung.
Mal wallte Kälte in ihren Kopf, dann war es wieder Hitze. Vor ihren Augen entstand hin und wieder ein kurzes Flimmern.
Was war los mit ihr?
»Was habe ich nur?« flüsterte sie und tastete benommen nach ihren Schläfen.
Vom Rattenbiß konnte dieses plötzlich auftretende Unwohlsein - doch nicht herrühren. Sie hatte ja sofort etwas dagegen unternommen. Ted Stephen hatte die Wunde gewissenhaft gereinigt.
Überarbeitung, sagte sich Schwester Sandra. Zuwenig Schlaf. Und wie wird es einem gedankt?
Sie wohnte im dritten Stock, Lift gab es keinen. Noch nie hatte sie es so mühsam empfunden, die Treppen hochzusteigen. Sie kam sich alt und verbraucht vor, mußte in jeder Etage rasten.
Endlich erreichte sie den dritten Stock, und sie sehnte sich nach ihrem Bett. Schlafen… Das würde ihr guttun. Wenn sie ein paar Stunden geschlafen hatte, würde sie sich wieder besser fühlen.
Zuerst wollte sie bei Mrs.
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