0910 - Blutliebe
dunkler. Die großen Wiesenflächen waren hinter uns geblieben und auch die dort stehenden Schafherden. Wald nahm uns immer öfter auf, der Himmel verschwamm, wir fuhren durch einen kleinen Ort, der wie tot wirkte, und Suko sprach davon, daß wir wohl irgendwann einen Fluß oder einen Bach überqueren mußten.
Er hatte recht.
Wenig später fuhren wir über eine alte Steinbrücke, nicht ahnend, daß Jane Collins genau auf dieser Brücke die Falle gestellt worden war. »Jetzt müssen wir aufpassen, John.«
»Was heißt das?«
»Fahr mal langsamer.«
»Okay.« Der Rover schlich dahin. Da zu beiden Seiten der schmalen Straße Buschwerk und Gestrüpp ziemlich dicht wuchs, kamen wir uns vor wie in einem Dschungel.
»Es ist eine Privatstraße, die zum Grundstück führt - oder?«
»Ja.«
»Ist sie eingezeichnet?«
»Als dünner Strich.«
»Immerhin etwas.«
»Wir müßten sie außerdem gleich erreicht haben.«
»Noch besser«, sagte ich.
Zwei Minuten später war es soweit. Kein Schild wies auf das Haus hin. Den schmalen Weg entdeckte wir nur deshalb, weil wir aufmerksam waren. Ich kurbelte am Lenkrad bog rechts ab und fuhr auf Sir Walter Kendrakes Grundstück zu. Vor dem Tor der steinernen Umfriedung hielten wir an. Die riesige Mauer war ein Stück Vergangenheit, auf der die beiden Überwachungskameras fremd wirkten, ebenso die Sprechanlage in dem steinernen Torpfosten.
»Wer steigt aus?« fragte Suko.
»Da du der bequemere von uns beiden bist, werde ich diese Aufgabe übernehmen.«
»Ich danke dir.«
»Ha, ha.« Ich verließ den Wagen und wurde von einer ungewöhnlichen Stille umfangen. Es konnte auch sein, daß ich sie mir einbildete, aber es war kein Park oder Wald, in dem ich mich wohlgefühlt hätte. Es sang kein Vogel, ich hörte auch sonst keine Geräusche. Es - war geheimnisvoll still.
Ein weißer Knopf im Mauerwerk stellte den Kontakt zu dem Haus her, das hinter den zahlreichen und hohen Bäumen des Parks verschwand. Ich hatte den Knopf kaum gedrückt, als schon die Stimme aufklang.
»Mr. Sinclair?«
»Ja.«
»Wir haben Sie erwartet. Augenblick bitte, das Tor wird sofort geöffnet.«
»Gut.«
Ich setzte mich wieder hinter das Steuer und erntete von meinem Freund einen schiefen Blick. »Was gibt's?«
Ich startete, weil sich das Tor vor uns öffnete. »Wir werden bereits erwartet.«
»Wie schön. Hast du mit Jane gesprochen?«
Ich ließ den Rover auf das Grundstück rollen. »Nein, mit einem Mann, der sich mir nicht vorgestellt hat.«
»Kendrake?«
»Kann sein.«
»Wir werden sehen.« Suko hatte die Karte im Handschuhfach verschwinden lassen, räkelte sich in seinem Sitz und schaute sich um. Viel war nicht zu sehen. Hohe Bäume, die das erste frische Grün zeigten. Rasenflächen wechselten sich ab mit brauner Erde. Die Zufahrt zum Haus wirkte fast provisorisch.
Tja, und dann sahen wir das Haus!
Es war kein prunkvolles Gebäude. Eigentlich war ich ein wenig enttäuscht. Keine Türme, keine Erker, eine glatte, graurötliche Fassade, die von ziemlich großen Fenstern unterbrochen wurde. Der Bereich des Eingangs war ziemlich groß. In seiner Nähe standen ein Mercedes und Janes kleinerer Golf.
Auch Suko hatte den Wagen gesehen. »Willst du raten, wer jetzt aufatmet?«
»Ich weiß es nicht.«
Er lachte, als ich den Zündschlüssel herauszog. Beide stiegen wir aus. Im selben Augenblick wurde die Tür geöffnet, und auf der Schwelle erschien ein Typ, der bestimmt nicht Sir Walter Kendrake war.
Dunkelhaarig, mit einem Pferdeschwanz, einem schmalen, asketisch anmutenden Gesicht, in dem sich kein Muskel regte.
»So sehen Typen aus, die sich als Leibwächter verkaufen«, sagte Suko leise beim Aussteigen.
»Ich kann dir nicht widersprechen.«
Der Mann war in Schwarz gekleidet. Seine Augen sahen aus wie polierte Kohlestücke, als wir vor ihm standen. »Ich bin Raki«, sagte er, »und soll Sie zu Sir Walter führen.«
Ich lächelte. »Dann machen Sie mal. Und hoffentlich nicht nur zu ihm, Raki.«
»Zu wem noch?«
»Jane Collins.«
»Sie ist da.«
»Sehr gut.«
Er führte uns in eine Halle, die verdammt kahl war. Es gab auch nichts Gemütlicheres dort. Für mich strahlte sie den Charme eines Leichenhauses aus, und ich fragte mich, wie sich wohl darin jemand wohl fühlen konnte. Ich hätte es nicht gekonnt. Selbst die Fenster wirkten düster und abweisend. Aus dem Halbdunkel der Halle kam jemand auf uns zu. Er trat etwas ins Licht und wir wußten sofort, daß dieser Mann Sir Walter
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