0913 - Das Gespenst
ihn herum allmählich verging und sich statt dessen etwas anderes aufbaute.
Eine andere Umgebung, ein anderer Geruch, und er spürte plötzlich unter sich etwas Hartes.
Er sah auch Licht.
Eine kleine Lampe nur, nicht mehr.
Seine rechte Hand zuckte. Sie strich über einen glatten Gegenstand hinweg. Automatisch krümmte sie sich zu Faust, weil sie den Gegenstand umklammern wollte.
Das schaffte er auch.
Der Gegenstand war glatt.
So glatt wie ein Knochen, der abgenagt worden war. Dieser Gedanke schoß ihm durch den Kopf.
Sein Mund öffnete sich. Er schrie plötzlich auf, dann sackte er in seiner schrägen, halb liegenden und halb sitzenden Haltung zusammen…
***
Abbé Bloch, Führer der Templer, hatte schon in den vergangenen Stunden gewußt oder geahnt, daß an diesem Tag noch etwas passieren würde. Es lag einiges in der Luft, auch wenn diese durch den herrlichen Blütenduft eines Frühsommers durchzogen wurde, aber irgend etwas stimmte da nicht.
Ärger?
Ein neuer Hinweis auf bestimmte Dinge, die noch an diesem Abend eintreten würden?
Der Templer-Führer wußte es nicht. Er konnte auch keinen seiner Brüder fragen, zudem wollte er es nicht. Deshalb hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen, um zu meditieren, ohne dabei jedoch auf einen bestimmten Gegenstand zu verzichten.
Vor sich auf den Tisch legte er den geheimnisvollen Würfel, dessen Inneres in einem düsteren Rot schimmerte, als wären dort düstere Flammen erstarrt.
Der Würfel war ungemein wichtig für ihn. Er sah ihn als einen magischen Indikator an, der auf bestimmte Ereignisse reagierte und sie ihm auf seine Art und Weise meldete. So konnte es durchaus sein, daß er Gefahren ertastete, noch bevor sie den Abbé und seine Freunde in Alet-les-Bains erreicht hatten, denn dieser Würfel brachte Botschaften aus fernen Welten und Reichen.
Es gab zu ihm noch ein Gegenstück, das wiederum befand sich im Besitz des Spuks, eines mächtigen Dämons, der Herrscher im Reich der Schatten und der vernichteten Dämonen war, wo deren Seelen in alle Ewigkeit dahinvegetierten.
Bloch legte beide Hände um den Würfel. Er selbst schaltete seine eigenen Gedanken aus, was sehr schwierig war, denn immer wieder hatte er den Eindruck, von der realen Welt eingeholt zu werden, in der er sich ebenfalls mit Sorgen und Problemen herumzuschlagen hatte.
Konnte er in diesem Zustand der relativen Unruhe den Würfel noch aktivieren?
Es wollte ihm heute nicht gelingen. Der Inhalt blieb gleich. Er veränderte sich nicht. Es erschienen die hellen Schlieren nicht, die als Brückenkopf zwischen ihm und dem Würfel dienten und ihm die Botschaft brachten, die eine eventuelle Gefahr mit sich brachte.
Nein, es klappte nicht.
Nach ungefähr fünf Minuten gab der Abbé auf, legte seine Hände flach neben dem Gegenstand auf den Tisch und blieb reglos sitzen, den Blick auf die Fläche gerichtet.
Starr blieb sie. Keine Bewegung im Innern. Niemand wollte sich melden. Auch keine Gefahr?
Der Mann dachte abgehackt und bekam keine Antwort. Aber sein Mißtrauen war geblieben. Dieser Tag würde nicht normal zu Ende gehen, das stand für ihn fest.
Irgend etwas war im Anmarsch, verhielt sich noch still, lauerte im Unsichtbaren und würde sich möglicherweise noch vor Einbruch der Dunkelheit zeigen.
Bloch hob den Kopf etwas an. Er schaute jetzt über den Tisch hinweg zum Fenster seines Arbeitszimmers hin. Hinter der Scheibe war es noch nicht dunkel geworden. Im Mai waren die Tage bereits ziemlich lang. Zwar hatten er und seine Freunde schon zu Abend gegessen, aber es würde noch dauern, bis die Dämmerung vom Land Besitz ergriff.
Unter dem Fenster stand der geheimnisvolle Knochensessel, der eigentlich seinem Freund John Sinclair gehörte. Er aber hatte ihn in seiner Wohnung nicht stellen können und ihn deshalb seinen Templer-Freunden überlassen.
Auch der Knochensessel konnte ihm keine Antwort auf seine drängenden Fragen geben, und so beschloß der Abbé, das Zimmer zu verlassen. Er wollte sich im Haus und auch draußen umschauen.
Vielleicht waren Fremde nach Alet-les-Bains eingedrungen. Feinde, die ihnen Böses wollten. Templer, die einen anderen Weg eingeschlagen hatten, um dem Dämon Baphomet zu dienen. Es gab so einige Möglichkeiten. Welche stimmte und ob überhaupt eine stimmte, das war die große Frage, die sich nicht so einfach lösen ließ. Der Abbé nahm den Würfel und stellte ihn wieder in einen Schrank zurück, dessen Tür er abschloß. Danach verließ er sein
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