0914 - Der Fluch der Sinclairs
schon.«
»Eben.« Der Polizist holte seine Dienstwaffe aus der Halfter. Als Mary es sah, erschrak sie, hielt sich aber zurück und sagte nichts. Statt dessen fing sie an zu zittern, schob sich an der Tischkante vorbei und folgte dem Mann.
Er hatte sich nicht geirrt. Es war tatsächlich jemand an der Haustür, die nun von außen geöffnet wurde. Ein Schlüssel schabte im Schloß, dann bekam die Tür von außen Druck und schwang nach innen. Da die Außenleuchte nicht ausgeschaltet worden war, fiel das Licht auch in den Flur hinein und ummalte die Gestalt eines erschöpft wirkenden Mannes, der sich nur mühsam über die Schwelle schob. Das Gewehr benutzte er wie einen Stock als Gehilfe.
Mary wollte den Namen ihres Mannes rufen, aber ihre Kehle saß zu. Es war Horace. Er mußte Schreckliches hinter sich haben, wenn man ihn so sah und ihn mit dem Mann verglich, den er sonst darstellte. Er wirkte erschöpft, konnte sich kaum auf den Beinen halten, was auch der Sergeant sah, der seine Waffe wieder weggesteckt hatte und auf Sinclair zulief, um ihn zu stützen.
Er zog ihn ins Haus, und die Tür fiel von selbst hinter ihm zu, so daß der Lichtschein plötzlich wie abgeschnitten war.
»Mary…«, flüsterte Sinclair und schluchzte auf. »Mary, was habe ich getan…?«
Es waren sehr schlichte Worte, aber gerade sie machten der Frau deutlich, daß ihr Mann nicht mehr unter dem bösen Einfluß stand und wieder zu sich selbst gefunden hatte. Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, sie schaute nur zu, wie McDuff ihren Gatten durch den Flur auf die Küchentür zuführte, und Mary konnte nicht anders, sie streichelte über Horaces Wange, als die Männer an ihr vorbeikamen.
Er hatte die Berührung mitbekommen und schenkte ihr ein scheues Lächeln. In der Küche wurde er auf einen Stuhl gedrückt, und seine Frau füllte ein Glas mit Wasser, das Horace mit beiden Händen umfaßte, sich bedankte und dann leertrank.
Danach blieb er sitzen wie ausgelaugt. Sein Gesicht zeigte einen tiefen Schmerz. Es war zerfurcht.
Er schien über etwas nachzudenken, mit dem er nicht so leicht zurechtkam, das aber in seinem Kopf herumspukte und sich nicht vertreiben ließ.
»Ich muß euch etwas sagen«, flüsterte er.
»Später, Horace…«
»Nein, jetzt. Ich habe die Hölle hinter mir. Ich fühle mich wie ein Schwein. Ich bin wieder normal, das andere ist verschwunden, aber trotzdem spüre ich die Folter. Sie ist eine Folge dessen, was ich beinahe getan hätte.« Er schaute seine Frau und auch McDuff an. »Versteht ihr das?«
»Nicht so ganz«, sagte Mary.
»Das könnt ihr auch nicht. So etwas müßt ihr selbst durchgemacht haben, denn ich stand dicht davor, einen wildfremden Menschen zu erschießen, eine junge Frau, der ich bereits die Mündung meines Gewehres gegen den Kopf gepreßt hatte.«
Keiner sagte etwas. Die Stille in der Küche war plötzlich bedrückend. Nur das leise Atmen der Anwesenden war zu hören.
»Aber ich habe es nicht getan.«
»Warum nicht?« flüsterte Mary. Sie legte ihre Hand auf die ihres Mannes und spürte die Kälte der Haut.
»Ich hätte es getan…«
»Aber sie ist doch nicht tot - oder?«
»Nein.«
»Dann ist es gut.«
Sinclair nickte schwerfällig. »Ich hätte es getan«, wiederholte er, »ja, ich hätte es getan, wenn nicht plötzlich jemand gekommen wäre und mich davon abgehalten hätte. Ein Reiter!«
Plötzlich horchte McDuff auf. »Verdammt, ich habe doch auch Hufschlag gehört, als ich draußen vor dem Haus war.«
»Ein Reiter ist plötzlich erschienen«, sprach Horace weiter. »Er sah so grau aus. Er saß auf einem grauen Pferd, und er sprach mich an. Allein seiner Anwesenheit habe ich es zu verdanken, daß ich die Tat nicht beging, denn von ihm strahlte etwas ab, das mich ebenfalls tief in meinem Innern erwischte und die andere Macht, diese böse Kraft, einfach aus mir herausholte.«
»Was ist dann geschehen?« wollte Mary wissen.
»Ich bin dann gegangen. Mir ist bewußt geworden, was ich hatte tun wollen. Ich habe mich geschämt wie nie zuvor in meinem Leben, und ich habe versucht, mich bei der jungen Frau zu entschuldigen, die ich mit einem Mann aus dem Ort beim Liebesspiel erwischt habe. Ich wollte den Mann töten, deshalb hatte ich ihn zuvor mit dem Gewehr bewußtlos geschlagen. Aber erst sollte die Frau diesen endgültigen Weg gehen.«
»Was geschah danach?«
»Nichts mehr, Mary, ich bin nach Hause gegangen. Ich war leer und trotzdem voller Gedanken, aber ich habe den
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