0914 - Der Fluch der Sinclairs
richtigen Weg gefunden, und auch die Wolke kam mir nicht mehr entgegen. Sie hat mich zum Glück in Ruhe gelassen.«
»Welche Wolke denn?«
»Der Geist, die schwarze Wolke, die Gestalt, ein Höllenwesen oder wie auch immer. Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr, ich möchte nur noch schlafen.« Er schüttelte den Kopf und beugte sich vor, als wollte er schon am Tisch einschlafen.
Den Wunsch konnten beide Zuhörer verstehen, aber Mary Sinclair brannte noch eine Frage auf den Lippen. Sie wollte einfach mehr über den geheimnisvollen Reiter wissen. »Bitte, Horace, noch eines«, sagte sie und streichelte über seine Hand. »Konntest du den Reiter denn erkennen? Hast du gehört, wer er ist? Hat er sich dir irgendwie offenbart? Es wäre ja möglich.« Sie schaute ihn starr an, als wollte sie die Wahrheit aus ihm hervorkitzeln.
Horace F. Sinclair holte schnaufend durch die Nase Luft. Es fiel ihm nicht leicht, eine Antwort zu geben, und er brachte die Worte auch nur mühsam über die Lippen. »Ja«, murmelte er mit müder Stimme. »Er hat mit mir gesprochen. Er hat mir auch gesagt, wer er ist. Ich weiß fast alles über ihn.« Der Mann lachte, als könnte er es selbst nicht begreifen. »Er ist mein Lebensretter gewesen«, fuhr er fort, »und eigentlich hat er auch nicht anders handeln können als St.Clair…«
»Wie bitte? Sinclair?«
»Nein, Mary, nein. Du mußt genau hinhören. Ich wiederhole noch einmal. Er nannte sich St.Clair. Einen Vornamen hat er mir nicht genannt. Er hat mich gerettet, ein Franzose, ein Stammvater, wenn du so willst. Einer, aus dem das Geschlecht der Sinclairs entstanden ist. Jetzt weißt du alles, denn mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
Marys Hand war von der ihres Mannes abgerutscht. Sie druckte sich gegen die Rückenlehne. »Nein, Horace«, flüsterte sie tonlos, »das brauchst du auch nicht. Du brauchst mir nichts mehr zu sagen.«
Sie drehte sich um und schaute McDuff an. »Was habe ich Ihnen vorhin noch gesagt über den Namen Sinclair? Fluch oder Segen…«
»Vielleicht beides, Madam«, flüsterte der Sergeant. »Vielleicht sogar beides…«
***
Daß mein Herz schneller schlug, konnte an verschiedenen Gründen liegen. Zum einen am starken Kaffee meiner Mutter, zum anderen auch an der hektischen Autofahrt, die hinter mir lag, der Leihwagen hatte regelrecht gedampft, und zum dritten an dem, was ich von meiner Mutter über meinen Vater erfahren hatte, der jetzt im Schlafzimmer lag und sich von den Strapazen ausruhte.
Der Platz in der Küche war auch jetzt für uns der beste. Ich trank langsam den Kaffee aus einem großen Becher. Durch das offene Fenster hörte ich das Zwitschern der Vögel. Die Sonne meinte es gut an diesem Tag, und ich setzte die große Tasse langsam wieder ab. Dabei schaute ich in die sorgenvollen Augen der alten Dame mir gegenüber, in denen ich aber auch eine gewisse Beruhigung darüber las, daß ich endlich erschienen war.
Sie strich eine Strähne zurück. Außer meinen Eltern und mir befand sich niemand im Haus. McDuff war gegangen. Er hatte beinahe die ganze Nacht gewacht und war müde, wie auch meine Mutter, die sich aber tapfer hielt.
»Ich habe dir gesagt, was ich weiß, John. Es ist nicht viel, aber vielleicht wird es dir helfen.«
»Das war schon eine ganze Menge.«
»Meinst du?«
»Ja. Zumindest für mich. So ganz naiv, was diesen neuen Fall angeht, bin ich ja auch nicht, auch wenn du mich als deinen frustrierten Sohn hier am Tisch sitzen siehst. Ich kam mir bald vor wie ein Telefonist, der aus der Entfernung berät.« Meine Stirn legte sich in Falten. »Aber ich bekomme die Fäden nicht zusammen. Das eine Ende deutet auf Südfrankreich hin, das andere Ende weist nach Schottland. Zum Glück hatte ich Suko. Er befindet sich bereits auf dem Weg nach Alet-les-Bains, wo ein gewisser Sven Hansen bei den Templern erschienen ist und ihnen erklärte, daß er aus einer anderen Zeit käme.«
»Und das ist wahr, Junge?«
»Es stimmt.«
»Ich will nicht nach den Gründen fragen. Ich muß mich auf das konzentrieren, was hier bei uns mit deinem Vater geschehen ist. Und das ist leider schlimm genug.«
»Da hast du recht, aber es gibt trotzdem Parallelen.«
»Welche denn?«
Ich räusperte mich. »Du mußt mir einen Gefallen tun, Mutter. Ich kann auch Dad fragen, aber den möchte ich eigentlich noch in Ruhe lassen. Er hat dir ja alles berichtet.«
»Das hoffe ich.«
»Gehen wir mal davon aus. Dann wird er dir auch über den Reiter berichtet haben, der
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