0915 - Macht des Schicksals
war sie einverstanden. »Wie willst du es anstellen?«
»Das habe ich mir schon überlegt.« In die Stimme des Mannes war wieder etwas von der alten Kraft zurückgekehrt. »Ich werde dich hier im Haus lassen, während ich zur Garage gehe und den Wagen hole. Wir werden einsteigen und wegfahren.«
»So einfach?«
»Was soll daran kompliziert sein, Mary?«
»Es könnte kompliziert werden, wenn der Schatten es nicht will.«
»Da hast du recht.«
»Genau, und wir kommen nicht mehr voran.«
»Das weiß ich eben nicht. Man macht sich immer Hoffnungen, wenn man in der Klemme steckt, und auch ich habe es getan. John ist verschwunden, den Reiter sehen wir ebenfalls nicht. Könnten wir unter Umständen davon ausgehen, daß mit John und diesem St.Clair auch der Schatten verschwunden ist? Daß er sich um uns nicht mehr kümmert und sich zunächst auf unseren Sohn konzentriert?«
Mary Sinclair schnaufte. »Ich weiß nicht, Horace, ob ich dieser Theorie folgen kann.«
»Es ist eine Theorie, aber muß sie deshalb schlecht sein?«
»Das habe ich nicht behauptet. Ich kann mir auf der anderen Seite auch vorstellen, daß der Schatten den einfachen Weg gehen wird.«
»Wie sähe der deiner Meinung nach aus?«
»Daß er sich zunächst mit denen beschäftigen wird, die ihm an wenigsten Widerstand entgegensetzen. Das sind wir nun mal und nicht unser Sohn. Muß ich noch mehr sagen?«
»Nein.«
»Bleibt es trotzdem bei deinem Vorhaben?«
Horace F. Sinclair schaute seiner Frau ins Gesicht. Beide waren zusammen alt geworden, doch wenn er sie so betrachtete, dann kam ihm dieses Gesicht noch immer vor wie das einer jungen Frau.
Die Erinnerungen an ihr Kennenlernen waren noch längst nicht erloschen, bei beiden nicht. »Ja, Mary, es bleibt bei meinem Vorhaben. Ich habe leider keine bessere Idee.«
»Dann kannst du dich auf mich verlassen. Wir sind lange zusammen. Wir haben all die Jahre zusammengehalten, und das wird sich auch jetzt nicht ändern.« Während ihrer Worte hatte Mary Sinclair Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
Horace verspürte das Bedürfnis, seine Frau zu trösten, auch wenn er ihr leider nicht den Trost zukommen lassen konnte, der alles änderte, aber er mußte einfach etwas tun und zog sie an sich. Er nahm sie in den Arm, und beide blieben für einen Moment starr sitzen. Sie spürten nur sich und die Wärme ihrer Körper.
»Wir schaffen es«, flüsterte Horace. »Wir schaffen es, Mary. Wir haben bisher alles geschafft. Wir lassen uns nicht fertigmachen, denn wir gehören zusammen.«
»Ja, Horace, ja.«
Beide hätten viel länger so sitzen bleiben können, aber sie wußten auch, daß sie etwas tun mußten.
Jede Minute, die verstrich, konnte zu einem Vorteil für ihren Gegner werden. Als Horace seine Frau losließ, da lächelte sie und sagte: »Es hat mir gutgetan, Horace.«
»Mir auch, Mary.«
Sie hielt seine Hände fest. »Wir wollen doch beide noch leben, oder?«
»Natürlich.«
»Deine Umarmung war also kein Abschied?«
In der Brust des Mannes vereiste etwas. »Wie kommst du denn darauf, Mary?«
»Na ja, es war so eine Idee. Es könnte ja sein, daß alles anders läuft und wir getrennt werden.«
»Das verstehe ich nicht. Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken?«
»Das möchte ich nicht.«
»Bitte, Mary.«
»Nun gut.« Sie senkte den Kopf. »Stell dir vor, dieser Schatten erwischt den einen von uns. Bisher bist du nur der Leidtragende gewesen, aber ich kann mich nicht ausschließen, und ich denke mit Grauen daran, wenn ich plötzlich deinen Tod will. Wenn ich dann zur Waffe greife und dich umbringen will. Mein Gott, Horace, der Gedanke daran macht mich verrückt. Ich, ich kann…«
»Um Himmels willen, denk jetzt nicht daran.«
»Ich kann nicht anders.« Sie sprach wie ein Automat. »Stell dir das bitte vor. Es ist nicht unwahrscheinlich! Du weißt, daß ich dich liebe, Horace. Auch wenn ich dir etwas…« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann es nicht sagen, ich will den Tod nicht, aber ich muß dir erklären, daß ich dich - wir haben uns immer geliebt, und daran wird auch dieser verfluchte Schatten nichts ändern können.«
Horace F. Sinclair war bleich geworden. Auch er war kein Superman, kein Held. Sie beide waren Menschen, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Sie waren keine Maschinen. Für sie gab es Grenzen, und sie standen dicht davor.
Er wollte nicht an das Ende denken, nicht an einen derartigen Tod. Beide gehörten nicht mehr zu den Jüngsten, die große Zukunft lag hinter
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