0917 - Grenze im Nichts
für seine persönliche Sicherheit und für sein Wohlergehen verantwortlich waren, registrierte die Ankunft eines weiteren Dieners, der in seiner Kapsel gemächlich heranglitt.
„Der Fremde ist am Ziel angelangt", meldete Tochter Suys ihrer Mutter. „Sollen wir mit der Untersuchung beginnen?"
„Suys" bedeutete in der Sprache des Bauarbeiters soviel wie „die Achte". Cerveaux hatte seine Tochtersysteme in der Reihenfolge ihres Entstehens mit Zahlennamen getauft.
„Ist er paralysiert?" erkundigte sich Cerveraux.
„Ja", antwortete Suys. „In wenigen Augenblicken können wir Bilder aus dem zweiten Turm empfangen, dann kannst du dich vom Zustand des Fremden überzeugen."
„Was mich momentan viel mehr interessiert, ist das Aussehen dieses Wesens", gestand Cerveaux.
„Vielleicht kann ich daraus auf seine Herkunft schließen."
Diese Äußerung spiegelte etwas von der wilden Hoffnung wider, der Fremde könnte ein Mitglied von Cerveaux’ Volk sein. Vielleicht hatte man ihn nach unendlich langer Zeit gefunden. Zweifellos war er damals vermißt worden. Es gehörte zu den Eigenarten von Cerveraux’ Artgenossen, daß eine Bestrafung unter allen Umständen durchgeführt werden mußte. Wieviel Zeit auch verstrichen sein mochte, das Urteil gegen einen Verbrecher besaß solange Gültigkeit, bis er vollstreckt war.
Während Cerveraux gespannt auf die Bilder wartete, fragte er sich, ob man ihn überhaupt noch identifizieren konnte.
Außer seinem Namen besaß er nichts mehr, was an die Vergangenheit erinnert hätte.
Die Bildschirme an der Wand erhellten sich. Cerveraux konnte auf diese Weise in den oberen Raum des zweiten Turmes blicken. Er sah, daß einige seiner Tochtersysteme dort über dem Boden kreisten. Auf dem Boden lag der Fremde. Obwohl er in einem Raumanzug steckte, erkannte Cerveraux sofort, daß es sich bei dem Ankömmling nicht um ein Mitgleid seines eigenen Volkes handelte nicht einmal um einen entfernten Verwandten.
Er’ empfand Enttäuschung, aber auch Erleichterung.
„Ihr könnt mit der Untersuchung beginnen", ordnete er an. „Dabei müßt ihr mit äußerster Behutsamkeit vorgehen. Auf keinen Fall darf; diesem Wesen etwas geschehen. Er soll schließlich in Zukunft als mein Unterhalter fungieren."
Ihm kam in den Sinn, seine Ableger könnten eifersüchtig reagieren und dem Gefangenen heimlich Schaden zufügen, aber dazu waren sie ihm wahrscheinlich zu treu ergeben. Bisher hatte er nicht viel über das Gefühlsleben seiner Tochtersysteme herausgefunden. Gewiß, er hätte sie danach fragen können, aber darauf hatte er bisher verzichtet. Eine derartige Befragung Wäre ihm äußerst peinlich erschienen.
Er konzentrierte sich auf das, was im zweiten Turm vorging. (Die Bezeichnung „zweiter Turm" war völlig willkürlich gewählt. Er, Cerveraux, befand sieh rin ersten Turm, im Uhrzeigersinn folgten dann die Türme zwei, drei und vier). Die Diener hatten bereits mit der Untersuchung des Fremden begonnen. Zu diesem Zweck hatten sie verschieden große Klappen in ihren Kapseln geöffnet, um ihre tentakelförmigen Extremitäten herausschieben zu können. Damit betästeten sie den länglichen Körper des Gefangenen. ‘ Hoffentlich starb das Wesen nicht vor Furcht! dachte Cerveraux.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Tochtersystern hereinkam, das zu den Patrouillen gehörte.
Cerveraux hatte ständig einen kleinen Verband von Ablegern innerhalb und außerhalb der Station als Beobachter im Einsatz.
Einer von ihnen kam nun herein. An der Form und der Farbe der Kapsel erkannte Cerveraux, daß es Pouly war.
„Ein unbekanntes Flugobjekt nähert sich dem Bauwerk", meldete Pouly.
„Gut", reagierte Cerveraux mechanisch wie auf jede andere Meldung.
Dann erst wurde ihm bewußt, was er da gehört hatte.
„Seid ihr sicher?" stieß er erregt hervor.
„Es bestehen kein Zweifel", antwortete Pouly.
Cerveraux mußte sich zur Ruhe zwingen.
„Beobachtet weiter!" befahl er. „Ich möchte über jede Veränderung sofort unterrichtet werden, vor allem über den Zeitpunkt einer eventuellen Landung eines fremden Objekts."
Pouly schwebte wieder hinaus.
Cerveraux war außer sich. Zwischen der Ankunft jenes Wesens, das sich nun in Turm zwei befand und dem Auftauchen eines unbekannten Raumschiffs mußte ein Zusammenhang bestehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei der Gleichzeitigkeit der beiden Ereignisse um einen Zufall handeln könnte; war so gering, daß sie überhaupt nicht in Betracht gezogen zu
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