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0919 - Die Rache

0919 - Die Rache

Titel: 0919 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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schaute sie wieder nach vorn.
    Der Kopf war immer noch da. Das Gesicht zeichnete sich deutlich ab, auch das strohblonde Haar, das wild in alle Richtungen abstand.
    Aus ihrem Mund drang ein tiefes Stöhnen. Der Schweiß klebte auf dem Gesicht. Sie wußte nicht, was sie jetzt tun wollte, und sie hatte ihre feuchten Hände gegen die Scheibe gepreßt, wo die Haut Schwitzflecken hinterließ.
    Schwebte der Kopf näher?
    Nein, er blieb in der Baumkrone. Aber er zog sich einige Sekunden später zurück. Ein letztes Bewegen der Blätter, dann fielen sie wie ein Vorhang zusammen, und Ludmilla konnte nichts mehr erkennen. Alles war wie sonst.
    Sie schloß die Augen. Ihr eigenes Schicksal war in den Hintergrund getreten, jetzt drehten sich ihre Gedanken nur mehr um den Kopf, zu dem sicherlich ein Körper gehörte. Sie rief sich das Aussehen noch einmal in die Erinnerung zurück und fing plötzlich an zu frieren, als sie daran dachte.
    Das war kein richtiger Mensch gewesen. Auf keinen Fall, nein, so etwas war unmöglich. Kein Mensch, sondern ein Schädel, der zwar zu einem menschlichen Körper gehört, aber dieser Kopf hatte ausgesehen, als paßte er zu einem Toten.
    Ihr Herz klopfte wie wild. Auf einmal saß auch ihre Kehle zu. Sie merkte, daß etwas in ihr hochstieg und sich bitter auf ihre Zunge legte. Galle und Magensäfte, irgendein Zeug, das durch die Aufregung entstanden war. Ludmilla atmete heftig, als sie vom Fenster wegging und sich auf das Bett hockte.
    Was hatte sie gesehen? Warum hatte sie es gesehen? Hing es mit ihrem eigenen Schicksal zusammen?
    Sie wußte nichts. Jede Antwort wäre Spekulation gewesen, aber ihr war klar, daß sich dort etwas getan hatte. Etwas, das mit dem normalen Verstand nicht zu erklären war. Hatte nur sie diesen Kopf gesehen, oder war er auch anderen aufgefallen?
    Nein, wahrscheinlich nicht, denn irgendwelche Reaktionen hatte sie nicht erlebt. Außerdem wunderte sie sich noch jetzt über die brutale Deutlichkeit des Gesichts, obwohl die Entfernung doch ziemlich groß gewesen war. Das paßte alles nicht zusammen, das war unlogisch, aber es schien einen Zusammenhang zwischen ihr und dem Kopf zu geben.
    Ludmillas Blick fiel auf den Kühlschrank. Sie spürte wieder den brennenden Durst, stand auf und öffnete die Tür. Jetzt wollte sie kein Wasser mehr trinken, sondern Bier, und sie holte eine Dose des holländischen Gebräus hervor.
    Nach dem Aufreißen der Lasche quoll der weiße Schaum hervor und benetzte auch ihre Finger. Sie setzte die Dose an, trank heftig und fühlte sich später erfrischt.
    Was war da draußen geschehen?
    Dieser Anblick wollte ihr einfach nicht aus dem Gedächtnis entschwinden. Einen schwebenden Kopf konnte es nicht geben. So etwas war einfach Wahnsinn. Er mußte noch einen Körper haben, schließlich war er auf eine gewisse Höhe gekommen, da mußte jemand den Baum hinaufgeklettert sein.
    Eine Frau?
    Ja, das Gesicht, auch wenn es so verzerrt war, es hatte einer Frau gehört. Auch die Haare paßten dazu, obwohl sie wie Stroh abgestanden hatten. Diese Frau hatte etwas von ihr gewollt, das stand fest.
    Sie war erschienen, um ihr eine Botschaft zu vermitteln.
    Welcher Art?
    Ludmilla lachte scharf auf und bekam den Eindruck, wieder weinen zu müssen, aber sie schaffte es, ihre Tränen zurückzuhalten.
    Plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, weshalb sie überhaupt in diesem schmutzigen Zimmer hockte, und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit überschwemmte sie wie eine gewaltige Woge.
    Sie stand auf.
    Die leere Büchse fiel ihr dabei aus der Hand und rollte über den Boden, während sich Ludmilla bereits dem Fenster näherte. Von einem Augenblick zum anderen hatte sie einen Tiefpunkt erreicht, und sie erinnerte sich daran, was ihr die beiden Männer gesagt hatten. Daß sie es nicht wagen würde, sich aus dem Fenster zu werfen und in den Tod zu fallen.
    Sie irrten sich.
    Sie würde es tun.
    Und die Polizei würde kommen, um Nachforschungen anzustellen. Wahrscheinlich führten die Spuren dann zu zu Susa und Chicon, und möglicherweise brachte ihr Selbstmord die Kerle vor den Richter, wo sie auch abgeurteilt wurden.
    So hatte ihr Tod wenigstens einen gewissen Sinn gehabt.
    Vor dem Fenster blieb sie stehen. Sie hörte sich selbst laut atmen, und sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Blick wanderte nach rechts, wo sich der Fenstergriff befand.
    Sie brauchte ihn nur zur Seite zu hebeln, und dann war das Fenster offen, und sie hatte freie Bahn.
    Jetzt oder nie!
    Jetzt!
    Ihre Hand

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