0919 - Die Rache
machen zu dürfen.«
»Davon hat auch niemand gesprochen.«
»Das hörte sich beinahe so an.«
»Quatsch. Ich habe mich damit abgefunden. Ich will auch nicht wissen, wer diese Wesen sind und woher sie kommen. Vielleicht haben sie sich aus dem Müll entwickelt. Wer kann das schon sagen, was sich dort abspielt? Was da alles zusammenkommt und schließlich ein furchtbares Gebräu bildet. Irgendwo geschieht es uns recht. Wir haben der Natur alles weggenommen, und jetzt holt sie es sich auf ihre Art und Weise zurück.«
»Das hast du schon mal gesagt.«
»Man kann es nicht oft genug wiederholen.«
Pepe winkte ab. Er stellte fest, daß seine Hose rutschte. Er streifte die grauen Hosenträger über das alte Hemd mit den halblangen Ärmeln. Dann schaute er zum Fenster. Die beiden kleinen Pflanzen waren ihm noch immer nicht aufgefallen. »Draußen ist es zwar auch nicht viel besser als in dieser Bude, aber ich werde trotzdem mal nachschauen.«
»Was willst du da?«
»Einen Rundgang machen. Das gehört zu meiner Arbeit. Du kannst ja mitkommen.«
»Nein, will ich nicht.«
»Dann bleib hier.«
»Klar.«
Aus einem offenen Fach im Schrank holte er seine Zigaretten und steckte sie ein. Mit der anderen Hand zerdrückte er blitzschnell einen Käfer, der über das Holz kroch. Ein dunkler, fettiger Fleck blieb zurück, und Pepe grinste verbissen.
Seine Frau sagte nichts. Sie schaute zu, wie Pepe die Bude verließ und sie hoffte, daß er Vernunft annehmen und bald so denken würde wie sie. Sonst war alles zu spät. Ihrer Meinung nach steckten sie in einer Falle, die bis auf einen winzigen Ausgang bereits zugeschnappt war.
Pepe Marcas pustete, als er das Haus verließ. Die Luft war einfach widerlich geworden. Dieser Tag gehörte zu den schlimmen, und er war noch nicht zu Ende. Wenn die Dämmerung herandrängte, wurde es noch schlimmer, dann sank die Luft wie eine große Bleiplatte nach unten.
Pepe blieb dort stehen, von wo er die Müllberge sehen konnte. Da war es noch schlimmer. Wie die Buckel irgendwelcher Ungeheuer zeichneten sie sich ab, umgeben von einem grauen Schleier. Pepe wußte, daß Unheil in der Luft lag.
Kein Wind kühlte. Die Luft stand wieder einmal, und die Stimmen der Menschen klangen lauter, obwohl sie gar nicht so kräftig gesprochen waren. Viele Menschen hatten das Wohnsilo verlassen und hielten sich draußen auf. An einem Tag wie diesem würden sie kein Feuer entfachen, um die Luft nicht noch schlechter zu machen.
Zwar bewegte sich jeder wie sonst auch, aber es kam Pepe nicht so vor. Alle gingen langsamer, sie waren träger geworden, als läge eine schwere Last auf ihnen.
Auch Marcas spielte mit. Er schlich umher wie ein alter Mann. Die Müllhalden wollte er nicht mehr sehen, deshalb war er auf die andere Seite gegangen.
Sein Blick fiel auf den Dschungel!
Das war eine andere Welt. Unheimlich, rätselhaft und auch gefährlich. Er hatte den Tropenwald nie geliebt. An diesem Tag aber haßte er ihn. Da hätte er ihn mit Stumpf und Stiel ausrotten können. Für ihn kam die Gefahr nicht nur von den Kippen, auch der Wald hielt sie bereit. Irgendwann würde sie zuschlagen und keine Rücksicht auf Menschen nehmen.
Zwei Frauen gingen auf den Hantereingang zu. Sie schleppten Körbe mit Wäsche. Beinahe wären sie gestolpert, und Pepe wurde durch diese ruckartigen Bewegungen aufmerksam. Er schaute hin und entdeckte die Wurzel oder Planze, deren Kraft den Erdboden regelrecht aufgebrochen hatte, um den Weg in die Freiheit zu suchen.
Für Pepe war es ein Gruß aus dem Dschungel, der sich unter der Erde an das Haus herangeschlichen hatte. Er kannte die Natur, die sich zwar zurückzog, sich dabei aber immer wieder erneuerte, um das verlorene Terrain erneut zu besetzen.
Der Hausmeister war mißtrauisch geworden. Er konnte sich nicht vorstellen, daß nur eine Pflanze den Boden durchbrochen hatte. Da mußte es mehrere geben.
Und jetzt, wo er sich auf seine Umgebung konzentrierte, fiel es ihm auch auf.
Die Erde war an verschiedenen Stellen aufgebrochen oder war noch dabei, aufzubrechen. Sie zeigte Risse, die ein regelrechtes Netz bildeten. Dann sah er die grünen Blätter aus den Lücken stoßen.
Krumme Stengel, die sich auf den Boden gelegt hatten wie müde Schlangen.
Sein Blick wanderte weiter.
Er erfaßte die Hauswand.
Weiter führte er in die Höhe, dort, wo sich die graue Fläche ausbreitete und von den kleinen Fenstern immer wieder unterbrochen wurde. Dafür hatte Pepe keinen Blick mehr. Seine Augen
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