092 - Der Herr des Schreckens
nicht.“
„Der Arzt vom Nachtdienst, an den ich mich wendete, als ich es auf meinem Nachttisch fand, glaubte, es sei Menschenhaut“, sagte Professor Dulac. „Die Nachricht ist mit Blut geschrieben. Ich bin davon überzeugt, daß im Polizeilaboratorium festgestellt wird, daß es Menschenblut ist.“
Es wurde sofort eine Großfahndung nach Nicole Dulac eingeleitet, doch das Mädchen war wie vom Erdboden verschwunden. Die Polizei war ratlos.
Robert Arvois erzählte dem Kommissar und Professor Dulac von Nicoles Traum. Der Professor bekam fast einen Herzanfall, als er hörte, was Nicole Robert berichtet hatte. Das gleiche Schicksal drohte auch ihr. Von einem dämonischen Zyklopen und Nachtmahren der Finsternis würde Nicole Dulac auf entsetzliche Weise in eine Mumie verwandelt werden.
„Nein“, sagte Professor Dulac entschlossen. „Das kann ich nicht zulassen. Ich gehe nach Tibet und liefere mich dem Herrn des Schreckens aus, geschehe was wolle.“
Der Professor, Kommissar d’Estienne und Robert Arvois saßen im Arbeitszimmer des Professors. Es war acht Uhr morgens.
„Das können Sie nicht tun, Professor“, rief der Kommissar erschrocken. „Sie können nicht sich und Ihr Lebenswerk dem Herrn des Schreckens ausliefern. Wer weiß, was die dämonische Organisation, die hinter dem Terror der letzten Tage steht, mit Ihren Forschungsergebnissen zu tun beabsichtigt. Der Herr des Schreckens und seine Anhänger werden Grauen und Horror über die ganze Welt verbreiten.“
„Das sagen Sie, ein nüchterner Kriminalist?“
„Ich habe gelernt, zu kombinieren. Sie sind ein Psychologe von Weltruf, ein Experte für Verhaltensforschung, Massensuggestion und Massenpsychologie. Eine dämonische Macht will Sie in ihre Gewalt bringen und sich Ihre Arbeiten und Erkenntnisse zunutze machen. Das kann nur eines bedeuten: Diese Macht will Menschenmassen in ihren Bann schlagen und beeinflussen. Wozu sonst sollten Sie und Ihre Arbeiten hinzugezogen werden?“
„Das leuchtet mir ein, Kommissar. Trotzdem muß ich dem Ruf des Herrn des Schreckens folgen. Ich kann nicht zulassen, daß meine einzige Tochter ein so schreckliches Ende findet, wie sie es im Traum vorausgesehen hat.“
„Ihr Entschluß steht fest, für den Herrn des Schreckens zu arbeiten, Professor?“ fragte Robert Arvois.
„Ich werde ihm so wenig Material wie möglich in die Hände geben“, sagte Professor Dulac. „Bevor ich zulasse, daß durch meine Arbeit unendliches Unheil entsteht, bringe ich mich lieber selber um. Aber vorher werde ich alles daransetzen, Nicole zu retten.“
„Sie sind ein wichtiger Mann für Frankreich“, wandte Kommissar d’Estienne ein. „Sie können nicht einfach das Land verlassen und sich in den Dienst einer fremden Macht begeben.“
„Ich bin ein freier Bürger, ich stehe nicht im Staatsdienst, bin dem Staat nichts schuldig und habe mich zu keiner Geheimhaltung verpflichtet. Ich kann gehen, wohin ich will.“
„Ich werde mit Ihnen gehen, Professor“, sagte Robert Arvois entschieden. „Zwei entschlossene Männer vermögen mehr auszurichten als einer. Außerdem können Probleme auf uns zu kommen, die Sie mit Ihrem Intellekt allein nicht zu lösen vermögen.“
Professor Dulac streifte die kräftige Gestalt seines Studenten mit einem Seitenblick.
„Wenn Sie Kämpfe und Auseinandersetzungen meinen, mögen Sie recht haben, Robert. Ich kann von Ihnen nicht verlangen, daß Sie mich begleiten. Es könnte leicht eine Reise ohne Wiederkehr sein.“ „Ich lasse Nicole nicht im Stich, und Sie auch nicht. Zumindest bis Katmandu komme ich mit, dort sehen wir weiter. In Katmandu werden wir wohl erfahren, was mit Nicole beabsichtigt ist.“
„Sicher.“
„Ich werde Sie nicht hindern können, das Land zu verlassen, Professor Dulac“, sagte Kommissar d’Estienne säuerlich. „Ich will diesen Fall aber auch nicht einfach aus der Hand geben und abschreiben. Mir scheint, ich werde Sie ebenfalls begleiten müssen.“
„Sie, Kommissar?“
Das Erstaunen des Professors und Roberts war verständlich. Der mittelgroße Kommissar sah mit seinem Bäuchlein und der Halbglatze ganz und gar nicht wie ein entschlossener Draufgänger aus. Man hätte ihn eher für einen Buchhalter oder Verwaltungsbeamten als für einen Kriminalkommissar halten können.
Nur die scharfen grauen Augen hinter der randlosen Brille verrieten, daß dieser Mann nicht so harmlos und bieder war, wie er wirkte.
„Ich werde veranlassen, daß wir drei morgen
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