092 - Der Herr des Schreckens
nach Katmandu fliegen können“, sagte der Kommissar. „Das läßt uns genügend Zeit, alle Vorbereitungen zu treffen.“
„Dann kann ich nicht einmal am Begräbnis meiner Frau teilnehmen“, sagte der Professor. „Nun, die Lebenden sind wichtiger als die Toten. Bevor wir abfliegen, will ich die Gelegenheit nutzen, mehr über unseren unheimlichen Widersacher herauszufinden, den Herrn des Schreckens, der sich Chandar-Chan nennt. Ich weiß auch schon, wo ich Informationen bekommen kann.“
„Wo?“ fragten der Kommissar und Robert wie aus einem Mund.
„Von Giscard Chardier, einem Gelehrten, der in Fachkreisen als obskur und seltsam gilt. Er hat sich auf asiatische Mythologie und Kulte spezialisiert. Wenn er mir nichts sagen kann, dann kann es keiner.“
Giscard Chardier lebte in einer halb zerfallenen Villa in einem Wald bei Chateaufort. Professor Dulac und Robert Arvois fuhren am Nachmittag mit dem Wagen des Professors zu ihm. Sie mußten das rostende Gittertor an der Villeneinfahrt öffnen. Die zum Eingang der Villa führenden Treppenstufen waren geborsten. Die Vorderfront der Villa konnte man vor lauter Efeuranken kaum sehen.
Professor Dulac betätigte einen Messingklopfer. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde. Sie quietschte in den Angeln. Ein gebeugter Greis mit nikotinfleckigem Bart, wuchernder weißer Haarmähne und schäbigen Kleidern blinzelte den Besuchern entgegen.
„Ah, Dulac“, sagte er nach kurzem Überlegen. „Was führt dich zu mir heraus, mein Junge?“
Der Alte war ein wenig wunderlich. Professor Dulac war immerhin einundfünfzig Jahre alt und alles andere als ein Junge.
„Ich brauche Ihre Hilfe, Magister Chardier“, sagte Professor Dulac. „Es geht um eine Sache von ungeheurer Tragweite, dämonische Mächte sind im Spiel.“
Der Alte lachte.
„Also etwas, womit deine Schulweisheit nicht fertig wird, Dulac. Kommt herein.“
Dulac und Arvois folgten dem Alten durch einen muffigen, dämmrigen Flur und durch ungepflegte, verwahrloste Räume. Dicker Staub lag auf den Möbeln, und an den Wänden hingen Spinnennetze.
Giscard Chardier führte seine Besucher in einen großen Saal, eine Mischung aus Bibliothek und makabrer Raritätensammlung. Regale mit ledergebundenen Folianten reichten bis zur Decke. Die Luft im Saal war trocken und verbraucht.
An den Wänden hingen Bilder mit Dämonen- und Spukdarstellungen. Im Saal standen Statuen und Büsten von Göttern und Dämonen. Sie waren zum Teil aus massivem Gold oder Silber und mußten einen immensen Wert haben.
Giscard Chardier trat an einen langen Tisch und bot seinen Besuchern Platz an. Er setzte sich an die Stirnseite des Tisches.
„Erzähle, Dulac“, forderte er.
Arvois hatte er noch keines Wortes gewürdigt.
Professor Dulac schilderte kurz, daß eine dämonische Macht ihn zwingen wollte, in ihre Dienste zu treten. Er erwähnte die makabren Ereignisse der letzten Tage, den Golem, den wandelnden Leichnam, die sprechende Katze, die Stimme aus dem Nichts.
Chardier nickte mehrmals.
„Schwarze Magie, wie sie von Geheimkulten in Tibet und anderen Ländern des Fernen Ostens gepflegt wird“, sagte er, als Dulac geendet hatte. „Wer, sagtest du, hat diesen Horror inszeniert?“
„Chandar-Chan, der Herr des Schreckens.“
Giscard Chardier wiederholte nun im wesentlichen das, was Professor Dulac schon von seinem Kollegen, dem Ethnologen, Archäologen und Parapsychologen, am Telefon gehört hatte. Er fügte einige schaurige Details über die blutigen, dämonischen Rituale der Schwarzen Lamas bei.
„Ihr Wissen in Ehren, Magister Chardier“, sagte Professor Dulac. „Doch mit dem Wissen allein ist mir nicht gedient. Könnt Ihr mir nicht sagen, wie ich die magischen, übernatürlichen Kräfte des Herrn des Schreckens brechen und ihn vernichten kann? Mit einer Schuß- oder Stichwaffe werde ich kaum etwas gegen Chandar-Chan ausrichten können.“
„Nein, mein Junge. Was helfen eine Kugel oder ein Messer gegen einen Geist, der nicht verwundbar ist oder gegen ein Geschöpf, das durch Zauber und Magie lebt und keine verletzlichen Organe hat? Wie willst du einen Mann töten, der schon gestorben ist, und den das Grab nicht halten konnte? Was kannst du mit körperlicher Gewalt gegen einen Magier ausrichten, dessen Blick dich bannt oder der Dämonen auf dich hetzt? Nein, den Herrn des Schreckens, den furchtbaren Chandar-Chan, kannst du nur mit seinen eigenen Waffen schlagen, mit Zauber und Magie.“
„Mit
Weitere Kostenlose Bücher