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0921 - Die Trennung

0921 - Die Trennung

Titel: 0921 - Die Trennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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    …
    Cassel versank immer tiefer in seinen Fantastereien. Und merkte dabei gar nicht, dass sich die Atmosphäre im Zimmer plötzlich grundlegend änderte. Erst, als er einen eisigen Lufthauch spürte, der ihn frösteln ließ, fand er wieder in die Realität zurück.
    Warum ist es hier plötzlich so kalt? Das gibt’s doch nicht. Hier kann’s doch nirgendwo herein ziehen. Seltsam.
    Cassel war ansonsten kein furchtsamer Mensch. Doch jetzt schlich sich eine seltsame Beklemmung in sein Herz. Dieser Lufthauch war nicht einfach nur… kalt. Er enthielt etwas, das dumpfe Furcht, ja sogar ein wenig Panik in ihm auslöste.
    Der Lehrer schluckte schwer und erhob sich. Mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper stand er da und schaute sich im Zimmer um. Die Stehlampe, die einen nackten, wunderschönen Frauenkörper in lasziver Pose zeigte und die seiner Frau Anne seit Jahren ein Dorn im Auge war, leuchtete den Bereich um den Schreibtisch herum aus und beließ das restliche Zimmer in diffusem Dämmer. Eine Ecke war vollkommen finster und auf diese konzentrierte sich Cassels Furcht nun.
    Kleine Schweißperlen erschienen plötzlich auf seiner Stirn, Gänsehaut bedeckte seinen ganzen Körper. Die eisigen Wellen der Furcht ließen ihn unkontrolliert zittern. Er versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber es klappte nicht.
    Sein Kopf fuhr herum. Da, war da nicht eben eine Bewegung gewesen?
    Cassels Augen weiteten sich. »Das… das gibt’s nicht«, krächzte er leise. »Was ist das? Ich träume gerade. Oder bin ich jetzt komplett abgedreht?«
    Auf einem kleinen Barockschränkchen mit kunstvoll gebogenen Beinen war der tief schwarze Abdruck einer Hand erschienen! Die Finger bewegten sich langsam, so als müssten sie sich durch Übungen wieder geschmeidig machen. Dabei wanderte die Hand über das Schränkchen.
    Hier spukt’s plötzlich. Das ist ein verdammter Spuk. Mann, so was gibt’s doch gar nicht…
    Max Cassels Augen wollten schier aus den Höhlen quellen, als sich die schwarze Hand vom Schränkchen löste und auf ihn zu schwebte!
    Ein unartikulierter Laut stieg aus seiner Kehle. Er wich zurück und stolperte dabei über seinen Schreibtischstuhl. Die Kante seines Schreibtischs fing ihn ab, sonst wäre er zu Boden gestürzt.
    Der Lehrer wollte schreien, seiner kreatürlichen Angst Luft machen, als die Hand plötzlich dicht vor seinem Gesicht hing und die Finger sich nach seiner Kehle ausstreckten. Aber er brachte jetzt keinen Ton mehr hervor.
    Die Schattenhand griff nicht zu. Langsam wanderte sie seitwärts weg. Cassels Augen folgten jeder ihrer Bewegungen. Schräg am Schreibtisch gelehnt, wagte er nicht, sich zu rühren. So, als könne er sich vor dem furchtbaren Spuk durch absolute Bewegungslosigkeit tarnen.
    Die Schattenhand fasste das Kabel des Computers. Mit einem Ruck zog sie es heraus. Dann schwebte es frei in der Luft, gehalten von den pechschwarzen Fingern. Spätestens jetzt dämmerte es Cassel, dass es sich hier um keinen bloßen Spuk handelte.
    Wie von Geisterhand legte sich das Kabel zu einer Schlinge zusammen. Und schwebte auf den Kopf des Lehrers zu!
    Cassel ahnte, was ihm gleich blühen sollte. Adrenalin schoss in seine Blutbahn, aktivierte seine Überlebensinstinkte und fegte seine Lähmungen weg. Mit einem Satz sprang er über den umgekippten Stuhl und spurtete zur Tür Die Schattenhand spielte mit ihm. Als sich seine Hand bereits nach der Türklinke ausstreckte, legte sich die Schattenhand um den Schlüssel – und drehte ihn!
    Die Tür war nun verschlossen! Cassel wimmerte panisch. Dann erwischte ihn die Schlinge. Blitzschnell zog sie sich um seinen Hals zusammen und schnürte ihm die Luft ab.
    Cassel röchelte, fasste nach der Schlinge, versuchte sie von seinem Hals zu zerren, hörte noch, wie jemand an der verschlossenen Tür rüttelte – Anne? – schnappte verzweifelt nach Luft, die nicht kam, sah rote und schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen, alles verschwamm, drehte sich. Die Schatten, die von allen Seiten kamen, um ihn zu holen, waren noch viel schwärzer als die Mörderhand.
    Als sie ihr Opfer in der Schlinge an die Decke hängte, war Max Cassel bereits tot.
    ***
    Inspektor Emile Gaudin von der Mordkommission der Pariser Kriminalpolizei traf etwas verspätet am Tatort ein. Mit federleichten Schritten stieg der ältere Mann die Treppe des sechsstöckigen Mietshauses hoch. Auch nachts um halb zwei sah er frisch und wie aus dem Ei gepellt aus. Graue dichte Haare, grauer

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