0922 - Mein Trip ins Jenseits
nur durch die Einsamkeit bewegte. Bevor er die große Stadt erreichte, würde er einige kleinere Orte durchqueren oder passieren müssen. Es kam ganz darauf an, wie er sich entschied.
Sehr bald schon sah er die ersten Lichter. Hinter ihm grummelte es noch immer. Allerdings war das Geräusch kaum lauter geworden. Vielleicht tobte sich das Gewitter auch weit im Westen aus und verschonte die Hauptstadt.
Zu dieser warmen Jahreszeit machten viele Menschen die Nacht zum Tag und hielten sich im Freien auf. Auch der kleinere Ort war voller Geräusche, die der Mann sehr deutlich wahrnahm. Seine Sinne waren übersensibilisiert worden. Er hörte, er schmeckte, er sah, es war ein gewaltiges Chaos, das ihm nicht gefallen konnte. Deshalb wollte er den Ort auch umgehen.
Also doch London?
Zu Fuß gehen, irgendwann die Stadt in den folgenden Stunden erreichen, das konnte ihm nicht gefallen. Er würde es auf eine andere Art und Weise versuchen.
Es gab Autos.
In ihnen saßen Menschen.
Er würde einen Wagen anhalten und den Fahrer zwingen, ihn mitzunehmen. Später konnte er ihn töten, er würde sicherlich ein Opfer für den Tunnel abgeben.
Ja, das war gut.
Um an ein Fahrzeug zu gelangen, mußte er sich dorthin wenden, wo eine Straße herführte, was kein Problem war.
Nur kam er nicht mehr dazu.
Urplötzlich erwischte es ihn!
Es war wie ein Schlag, den ihm jemand versetzt hatte. Der Hieb hatte ihn an der Stirn getroffen, und für einen Moment geriet er in leichte Schwankungen.
Mit unsicheren Schritten tappte er nach links, war froh, einen Baumstamm zu erreichen, der ihm als Stütze diente.
Etwas stimmte nicht mehr.
Irgendwas war anders gelaufen, und Nathan konnte sich vorstellen, daß auch die Gegenseite einen Kontakt suchte.
Kontakt?
Ja, der war vorhanden.
Aber nicht auf einer normalen Ebene. Nicht sichtbar oder mit den Händen zu greifen.
Der Kontakt war auf der geistigen Ebene ein Erfolg. In einer Welt zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Und Nathan wußte auch, wer ihn hergestellt hatte. Sein blonder Todfeind…
***
Es gab für mich die Welt nicht mehr, so wie ich sie kannte. Es gab eigentlich nur meine Gedanken, und die waren tatsächlich nicht ausgeschaltet worden.
Gedanken sind frei, und es hatte sich auch niemand gezeigt, der sie kontrollieren wollte.
Ich schwebte.
Und ich schaute nach unten, ohne daß ich mich drehen mußte.
Dort lag mein Körper.
Genau wie Jane Collins es mir berichtet hatte. Ich konnte aus einer gewissen Höhe auf meinen Körper schauen und hörte sogar die Stimme des Professors, die, obwohl leise, auch sehr deutlich zu verstehen war.
»Jetzt ist er klinisch tot!«
Die Worte hätten mich erschrecken müssen, aber konnte ein Geist erschrecken?
Ja, ich fühlte es, aber ich war nicht in der Lage zu reagieren. Ich kam auch nicht mehr in die Nähe meines Körpers, denn ich trieb auf eine nicht erklärbare Art und Weise von ihm weg.
Nicht schnell, langsam nur, aber meine eigene, auf der Liege ruhende Gestalt verkleinerte sich zusehends und auch die Konturen des Raumes lösten sich auf.
So glitt ich davon, dachte dabei an den Tunnel und wartete darauf, von ihm eingenommen zu werden.
Obwohl ich keine Augen im eigentlichen Sinne hatte, konnte ich sehen. Ich hörte auch ohne Ohren und roch ohne Nase. Meine Sinne waren geblieben, möglicherweise sogar noch geschärft worden.
Wo befand sich der Tunnel?
Ich nahm ihn noch nicht wahr. Ich schwebte wirklich durch ein Licht oder ein Loch, und ich hörte noch nichts von der herrlichen Musik, die Jane so beeindruckt hatte.
Sollte das für mich alles nicht zutreffen? Hatte ich diese ungewöhnliche Reise ins Jenseits grundlos unternommen?
Bisher hatte sich nicht viel verändert, aber ich stand auch erst am Anfang. Der richtige Tunnel würde sich schon vor mir öffnen, so daß ich den anderen sehen konnte.
Ihn, den Killer!
Den Geist, den Leib.
Ich dachte auch daran, was geschehen würde, wenn zwei Geister aufeinandertrafen, und ich stellte es mir schon ungewöhnlich, sogar ein wenig lustig vor.
Keine Todesangst umfing mich. Auch die letzten Befürchtungen kurz vor dem Erreichen des klinischen Tods waren verschwunden. Die Zurückgeholten hatten recht, wenn sie von einer grenzenlosen Freiheit sprachen, die sie überfallen hatte. Das war einfach so, auch bei mir, und ich konnte es mir nicht erklären.
Eine andere Welt?
Nein, die sah ich nicht. Es war überhaupt keine Welt in dem Sinne, die mich umfing. Mir kam sie leer vor, ein
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