0924 - Der Herr der Nebelberge
werden müssten. Wie nicht anders zu erwarten war, stimmte Tonrod für Kestria. Schließlich stammte er von dort. Harad sprang auf und schrie ihn an, ein Treppenmeister müsse seine Entscheidungen nach objektiven Kriterien fällen und…
… er blickte über das kleine Land, dessen blühende Vegetation im strahlenden Sonnenschein förmlich explodierte. Caled trat von hinten an ihn heran, legte ihm die Hand auf die Schulter und schilderte ihm, wie er das Land gestalten würde, wenn er der Oberste wäre. Doch allen verzweifelten Versuchen zum Trotz war er nicht der Oberste und hatte somit keinerlei Einfluss auf…
Mit einem überraschten Keuchen auf den Lippen zog Zamorra die Hand zurück. Sofort brachen die Bilder in seinem Geist ab, ließen jedoch Spuren der Erkenntnis zurück.
Die Stachelbälle - nein, wie er nun wusste, lautete der richtige Name Archivsterne - projizierten Bilder direkt in das Bewusstsein des Benutzers. Insofern waren sie vergleichbar mit der Zeitschau des Amuletts. Doch die Archivsterne leisteten noch mehr! Neben pseudooptischen Eindrücken lieferten sie auch Wissen!
»Alles gut? Soll der Dhea Nhoi Hilfe holen?«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Neinneinnein«, murmelte er. »Alles bestens.«
Noch einmal streckte er die Hand nach dem Archivstern aus. Diesmal wollte er darauf achten, dass ihn die Eindrücke nicht überrollten. Dass er nicht von fremden Namen, Orten und Begriffen weggespült wurde.
Es dauerte einige Minuten, bis er den Dreh heraushatte, doch dann gelang es ihm, die Bilder und Eindrücke anzuhalten, zu wiederholen, zu beschleunigen oder sie ganz zu überspringen. Schließlich lernte er sogar, wie er in den gesammelten Daten gezielt nach Informationen suchen konnte - nämlich indem er sich darauf konzentrierte. Darauf hätte er auch eher kommen können. Er saugte Wissenshäppchen um Wissenshäppchen in sich auf, etwas hiervon, ein wenig davon, gierig auf mehr.
Der Professor erfuhr, dass die Treppenmeister das kleine Land nicht nur benutzt, sondern es sogar erschaffen hatten. Aus einem Grund, den Zamorra nicht verstand, hatten in Isilria schon immer wenige Menschen gelebt, die ununterbrochen Para-Energie entwickelten. Mit ihr konnte man die Realität nach eigenen Vorstellungen formen, was Zamorra an die Kraft der Dhyarras erinnerte. Unglücklicherweise verfügten die meisten dieser Menschen nicht über die Fähigkeit, die Energie zu kanalisieren, abzuleiten und für die Formung der Realität einzusetzen. Deshalb staute sie sich auf, bis der Para-Druck so groß wurde, dass die Bedauernswerten in einer mentalen Explosion ausbrannten. Als eines Tages eine Möglichkeit entdeckt wurde, den Para-Druck zu entladen und die Energie in einem Kristall zu speichern, war dies ein großer Tag für Isilria! Denn nun konnten die Begabtesten, die fortan Former genannt wurden, aus der Energie der Spender die Realität zum Wohle aller verändern. So erschufen sie zunächst die schnellen Stufen , die ein zügiges Reisen ermöglichten. Die Zunft der Treppenmeister war geboren.
Als das Netz der Stufen schließlich zu groß und verwirrend wurde und - wie man sich eingestehen musste - das Landschaftsbild einer ganzen Welt verschandelte, erschufen sie eine Wirklichkeitsebene neben Isilria, die man über Portaltreppen erreichen konnte, und versetzten die Stufen dort hinein. Sie erbauten eine Festung, in der die Treppenmeister ihre Para-Energie in das Schöpferauge entladen konnten. Die Former bedienten sich dieser Energie und benutzten sie für die Erschaffung, den Ausbau und die Erhaltung des kleinen Landes . Ihre Schöpfung hatte zwar einen gewissen Bestand, musste aber von Zeit zu Zeit gepflegt und erneuert werden.
Zamorra zog die Hand zurück und sah sich im Archivraum um. Sein Blick glitt über all die Archivsterne, die in den Nischen schwebten und darauf warteten, ihr Wissen mit ihm zu teilen. Was für ein unglaublicher Zufall, dass ausgerechnet ein Stern über der Lesesäule ruhte, der ihm so viel verraten konnte!
Lesesäule! Auch dieses Wort kannte der Meister des Übersinnlichen plötzlich. Das leere Exemplar einen Meter weiter links hingegen war die Schreibsäule.
Hinter sich hörte der Professor Rhett brummeln. »Toll! Ein Schlafraum!«
Dylan und Rhett hatten inzwischen gut die Hälfte der Türen geöffnet und die dahinterliegenden Räume untersucht. Offenbar waren sie noch nicht fündig geworden.
Dem Professor blieb also noch Zeit, einen weiteren Archivstern auszulesen.
Ohne darüber
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