0925 - Boten der Finsternis
Tifflor, der annahm, daß Baya Gheröl in der letzten Zeit nicht mehr so gern bei den Loowern gewesen war.
Baya schüttelte den Kopf. Ihre langen schwarzen Haare kitzelten Tiff lors Hals.
„Nein, Mister Tifflor."
„Tiff", verbesserte Julian Tifflor.
„Ich gehe nicht nach Hause, Tiff", erklärte das Mädchen entschlossen. „Nistor möchte noch einmal nach Zaltertepe zurückkehren und einige Siganesen abholen, um sie auf eine Expedition mitzunehmen. Aber Nistor ist eben nur ein Roboter. Auch wenn er lieb zu den Siganesen sein möchte; er kann es eben nicht. Aber ich kann die kleinen Menschen betreuen und für sie sorgen. Deshalb werde ich den Helk begleiten."
Julian Tifflor nickte. Er führte Baya Gheröl zu einem Grashügel in der Nähe der Space-Jet, mit der er von der nächsten Transmitterstation gekommen war. Vor der Terranisierung des Mars war hier ein hügelförmiger Frostaufbruch gewesen, an dem die zahllosen Sandstürme nach und nach mehr Sand abgeladen hatten.
Heute wuchsen hier auf der Hügelkuppe drei weiße Birken, jede ungefähr zwölf Meter hoch - und davor stand eine Bank.
Dort setzten sich die beiden Menschen hin, und Tifflor schenkte Baya eine Tafel Schokolade. Ihm kamen beinahe die Tränen, als Bayas Augen beim Anblick der Schokolade hell aufleuchteten. Erst da wurde ihm bewußt, daß das Mädchen wahrscheinlich in seinem ganzen Leben nur ein paarmal ein Stück Schokolade bekommen hatte.
„Darf ich ein Stück essen, Tiff?" fragte Baya mit ihrer kindlichen hellen Stimme.
„Aber sicher." Tifflor riß das Papier selber auf, brach eine Reihe ab und gab sie dem Mädchen.
Während sie aß, blickte Julian Tifflor über die gewaltige Neunturmanlage und die beiden großen Kegelraumschiffe der Loower. Alles wirkte so fremdartig. Dennoch hatte der Terraner nie das Gefühl, als könne davon eine Bedrohung für ihn und Baya Gheröl ausgehen. Und auch die Bewohner der kleinen Ortschaft, die weit hinter den in Trümmerbauweise errichteten Türmen und den Raumschiffen mitten in einer Oase lag, fühlten sich von den Loowern offensichtlich nicht bedroht. Sie hatten während der letzten Wochen ein neues Wohnviertel errichtet und waren dabei, ein Hallenbad zu bauen.
Dennoch war Julian Tifflor alles andere als zufrieden. Fremde Wesen lebten auf dem Mars, aber es gab keinen fruchtbringenden Kontakt zwischen ihnen und den Menschen, keinen Informationsaustausch.
„Zaltertepe ist ein sonderbarer Planet", sagte Baya Gheröl neben Tifflor. „Und die Beziehungen zwischen den dort lebenden Ertrusern und Siganesen sind noch sonderbarer. Früher wußten die Ertruser nicht einmal etwas davon, daß sie von einer siganesischen Subkolonie unterwandert waren. Dennoch sagten sie bei jedem Mißgeschick sinngemäß, die Siganesen hätten dabei ihre Hände im Spiel gehabt. Sie hatten ihren Spaß dabei - und die Siganesen auch. Ich glaube, beiden fehlt etwas, seit die Siganesen nicht mehr heimlich auf Zaltertepe leben."
„Ich kann mir das vorstellen, Baya", erwiderte Julian Tifflor. „Der Helk Nistor möchte also nach Zaltertepe fliegen und ein paar Siganesen von dort holen?"
„Er möchte es, aber Hergo-Zovran und einige andere führende Loower stehen dem ablehnend gegenüber.
Sie wollen nicht, daß Fremde an ihren Angelegenheiten teilhaben, und die Siganesen sind ja völlig fremd für sie. Nur Nistor kennt sie und verdankt ihnen einiges. Aber ich weiß nicht, ob er sich durchsetzen kann, da so viele Loower auf dem Standpunkt stehen, daß die Expedition ausschließlich ihre Angelegenheit ist."
„Hm!" machte Tifflor nachdenklich. „Diese Expedition beginnt mich zu interessieren. Weißt du denn nichts Näheres darüber, Baya?"
Baya Gheröl schüttelte den Kopf.
„Wenn ich ein paar der für die LFT arbeitenden Siganesen in die Expedition einschleusen könnte ...!"
überlegte sie laut. „Aber wen ...?"
Vavo Rassa und Rayn Verser fielen ihm ein. Diese beiden Siganesen hatten sich bereits bei der Erforschung des Helks Nistor bewährt. Sie wären geradezu prädistiniert gewesen für die Teilnahme an der Expedition, hätten sie sich nicht immer wieder durch Disziplinlosigkeit hervorgetan - zumindest Rassa. Und Rassa war sogar neuerdings in ein Sittlichkeitsverbrechen verwickelt.
Weil er einer fünfundneunzigjährigen Siganesin zugeblinzelt hat!
Julian Tifflor seufzte.
Er wußte, daß es aus seiner Sicht idiotisch war, Vavo Rassa dafür zu bestrafen, aber er war verpflichtet, bei Siganesen Rücksicht auf die
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