0926 - Mörderische Lockung
meinst sie?« Jane deutete auf das Foto.
»Ja, die meine ich.«
»Nein, John, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe das Gefühl, ins Leere zu fallen. Ich weiß nicht so recht, aber…«
»Den Namen hast du behalten?«
»Sicher.«
»Dann ist es gut.« Ich streckte ihr die Hand entgegen. »Fühlst du dich fit genug?«
Sie lächelte. »Wozu?«
»Daß wir uns auf den Weg machen können. Irgendwo müssen wir die Frau ja finden, und ich denke schon, daß sie sich hier aufhält.« Ich nahm das Foto hoch und steckte es ein.
»Einverstanden.« Jane sprang aus dem Bett. »Laß mich nur noch kurz ins Bad.«
Sie verschwand darin, während ich in dem kleinen Doppelzimmer wartete. Die Enge gefiel mir trotz der hellen Möbel nicht, und der schmale Schrank an der Seite sah aus, als wollte er jeden Augenblick zusammenbrechen.
Jane kam zurück. Sie hatte sich gekämmt und etwas Rouge aufgetragen. »Dann wollen wir mal…«
Sie erntete keinen Widerspruch, denn ich war auf diese Beth Calvaro mehr als gespannt…
***
»Wer ist diese Frau?« fragte ich, als wir den großen Trubel des Ortes hinter uns gelassen hatten und in einer schmalen Gasse standen, die hoch von Einheimischen bewohnt wurde. Es gab nicht mal einen Laden.
Dafür alte, krumme Häuser, die dicht an dicht standen und so aussahen, als würden sie sich gegenseitig stützen.
»Das weißt du doch. Beth Calvaro.«
»Klar, aber das ist nur der Name, Jane. Was steckt wirklich dahinter? Ein Name sagt nicht alles.«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie kann eine Hexe sein.« Ich schaute gegen einen schiefen Balkon, um dessen Eisengitter sich Ranken klammerten. »Das muß aber nicht stimmen. Es ist durchaus möglich, daß sie eine besondere Frau mit besonderen Gaben ist, wobei wir sie nicht unbedingt als Hexe ansehen müssen. So jedenfalls denke ich.«
»Kann hinkommen.«
Ich schaute wieder auf das Bild. Einige Menschen hatten wir gefragt, natürlich Einheimische, aber wir hatten immer nur ein Schulterzucken als Antwort erhalten.
»Laß uns weitergehen«, schlug Jane vor.
»Schön. Wohin?«
»Hast du keinen Durst?«
Ich lachte. »Und ob ich den habe.«
»Dann werden wir uns einen Schluck genehmigen.« Sie wollte sich schon in Bewegung setzen, drehte sich noch einmal um, und es war nur ein flüchtiger Blick, den sie in die Gasse warf, aber ihre Augen wurden starr.
Auch ich schaute hin.
Beide sahen wir den Hund. Es war eine Dogge, und sie stand wie ein Denkmal am Anfang der schmalen Straße. Wir wußten nicht, ob sie uns mit bösen Blicken, kalten Augen oder wie auch immer anstarrte, aber Spaß machte es nicht, gegen sie zu blicken. Das Maul stand offen. Eine breite Zunge hing hervor, der muskelbepackte Körper zitterte, so daß wir damit rechnen mußten, daß der Hund jeden Augenblick auf uns zurannte. Er tat es nicht.
Die Dogge blieb stehen, starrte in die Gasse hinein, als wollte sie etwas suchen, aber da gab es nur uns beide.
»Gehen wir trotzdem?« fragte Jane.
»Sicher.«
Die Detektivin schlenderte neben mir her. Sie gab sich locker, lächelte sogar, aber die Gänsehaut auf ihrem Gesicht strafte das Lächeln lügen.
So cool war sie nun doch nicht. Und der Blick, den sie hin und wieder über ihre Schulter warf, enthielt eine große Portion Skepsis, was verständlich war, denn auch ich schaute ab und zu zurück.
Die Gasse war nicht sehr lang, aber durchaus lang genug, um noch zwischen den Häusern von der Dogge erwischt zu werden, wenn sie einmal losrannte.
Sie blieb nicht stehen. Kaum hatten wir das Ende der Gasse erreicht, da setzte sich auch der Hund in Bewegung. Er rannte nicht, er sprang auch nicht, er tappte vorwärts, wobei er den Kopf gesenkt hielt, als suchte er auf dem Boden und an den Hauswänden nach Beute.
Wir hatten die Gassen hinter uns gelassen, und vor uns lag der Trubel.
Ein großer Platz, beherrscht vom Verkehrslärm der Motorräder und Mopeds. Hier hatten sich Jugendliche versammelt, um sich für den Abend vorzubereiten. Auch zahlreiche Urlauber hielten sich dort auf. Jungen und Mädchen, alle braun, alle urlaubsgeil, für jeden Spaß zu haben.
Lokal reihte sich an Lokal. Der Tourist konnte hier alles finden, auch Gerichte aus seiner Heimat, aber das störte uns nicht. In Spanien brauchte ich kein englisches Essen, da genoß ich die einheimische Küche.
Es gab auch Lokale, die etwas versetzt lagen und nicht unbedingt den Blick auf Strand und Meer boten. So eines suchten wir uns aus. Es war ein weißer Bau, bei dem die
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