0926 - Mörderische Lockung
Fenster und Türen offenstanden. Im Innern war es sicherlich kühler, aber wir nahmen unter einem großen Sonnenschirm Platz, der ebenfalls Schatten bot. Ein Baum wäre mir zwar lieber gewesen, man kann nicht alles haben.
Ein junger Mann bediente hier draußen: Er wurde Alfonso gerufen und schien der Sohn des Besitzers zu sein, der sein Lokal und sein Essen anpries. Er hatte die Gerichte auf Tafeln geschrieben, die er jetzt dorthin schleppte und auch aufstellte, wo die meisten Touristen vorbeikamen.
Zu uns kam Alfonso.
Er mußte um die Zwanzig sein, trug sein Haar kurz, hatte eine braune Hautfarbe, breite Schultern und dunkelbraune Augen, die ein wenig melancholisch blickten. Er rechnete damit, Deutsche vor sich zu haben und sprach uns an.
Wir bestellten zwei Longdrinks ohne Alkohol. Angeblich sollten sie sehr erfrischend sein. Jane fügte noch hinzu, daß sie kein Eis wollte, und ich schloß mich dem Wunsch an.
Dann streckte ich die Beine aus. Wir saßen günstig und konnten den Großteil des Strandes überblicken, der sich um diese Zeit allmählich leerte. Die Gäste gingen zurück in ihre Hotels. Sie schlenderten an den Lokalen vorbei, blieben hin und wieder stehen, um sich über die Angebote zu informieren, und sie unterhielten sich darüber, was sie in der Nacht machen wollten.
Ich schaute zum Himmel.
Er lag weit und blaßblau über uns.
Die Sonne war nach Westen gewandert und stand wie ein helles Auge halb über dem Land und hoch über dem Meer.
»Das darf doch nicht wahr sein!«
Janes Stimme schreckte mich hoch aus meinen Betrachtungen. »Was darf nicht wahr sein?«
»Da ist der Hund!«
Ich hatte ihn noch nicht entdeckt, aber ich verfolgte, wohin die Detektivin deutete. Und dann sah ich die Dogge!
Sie stand neben einer halbhohen Mauer, die das Grundstück des Lokals umfriedete. Das Tier bewegte sich nicht, aber es war unverkennbar, daß es in unsere Richtung schaute.
Beide fühlten wir uns dabei unwohl. Jane hatte ihre Lockerheit verloren und setzte sich steif hin. Sie schielte nach rechts, wo ich saß und ihren Blick bemerkte.
»Das ist kein Zufall mehr, John!« flüsterte sie.
»Allmählich glaube ich das auch«, gab ich murmelnd zurück.
»Und was denkst du?«
Ich hob die Schultern. »Alles, was ich dir jetzt sage, ist reine Spekulation. Dieser Hund hat einen Auftrag erhalten. Von wem auch immer, aber ich glaube, daß er uns beobachten soll.«
»Beth Calvaro«, flüsterte Jane. »Denkst du nicht auch daran?«
»Es bleibt ja keine andere Möglichkeit.«
»Was tun wir?«
»Nichts. Zunächst einmal. Der Hund läßt uns und auch andere Menschen in Ruhe. Nehmen wir ihn als Beobachter hin. Als Zeichen, was weiß ich. Man weiß jedenfalls, daß wir eingetroffen sind.«
»Dann würde Beth über ihn mit uns Kontakt aufnehmen.«
»So kann man es sehen.«
»Okay, mal sehen, wie es weitergeht. Wenn wir leergetrunken haben, können wir gehen, John. Ich bin fest davon überzeugt, daß er uns auf den Fersen bleibt. Es kann durchaus sein, daß er uns dann zu unserem Ziel führt und wir nicht erst großartig suchen müssen.«
»Verlassen möchte ich mich darauf nicht.«
In unserer Nähe entstanden knirschende Geräusche, denn Alfonso steuerte unseren Tisch an. Auf einem Tablett trug er die beiden Gläser, die aussahen wie große Tulpen und bis zum Rand gefüllt waren, wobei noch geknickte Strohhalme aus ihnen hervorschauten. Man hatte mehrere Flüssigkeiten miteinander gemixt, aber die Farbnuancen waren noch vorhanden, so sah es aus, als wären die Zutaten aufeinander geschichtet worden, ohne daß sie sich dabei großartig vermengten.
Der junge Kellner lächelte, als er die Getränke abstellte. Er wollte gehen, aber ich hielt ihn fest.
»Moment noch.«
»Bitte.«
»Schauen Sie mal dort hin, Alfonso. Sehen Sie die Mauer und den Hund daneben?«
»Si.«
»Kennen Sie den Hund?«
Alfonso schaute erst jetzt genauer hin, und seine Reaktion war sehr interessant. Er schluckte, verlor seine Sicherheit und wurde auch ziemlich blaß.
»Was haben Sie?« fragte Jane.
»Eigentlich nichts.«
Sie lachte den jungen Mann an. »Kommen Sie, Alfonso. Sie haben sich erschreckt, als sie ihn sahen. Sie kennen ihn also.«
»Das sagte ich.«
»Wem gehört er?«
Der junge Kellner schluckte. »Er lebt nicht hier im Ort. Er gehört dem Don.«
»Wer ist das?«
»Ein reicher Geschäftsmann. Sein Haus befindet sich außerhalb des Ortes. Ich weiß auch nicht, wieso sich sein Hund auf den Weg gemacht hat, um in die
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