0927 - Monster-Zoo
Hinweg hatte sie es sich schon angeschaut. Es gab da nicht nur das Haus, sondern auch das große Freigehege, an den Seiten durch Zäune geschützt, aber immerhin so weit und auch so gut und dicht bepflanzt, daß sich die Vögel darin ausgezeichnet bewegen konnten.
Hin und wieder war der weiche Drahtzaun durch Türen unterbrochen, die allerdings verschlossen waren. Auf schmalen Wegen konnte der Besucher das Freigehege durchqueren und zahlreiche einheimische Vögel sehen. Die Exoten waren in Häusern untergebracht, obwohl sie sich bei diesen Temperaturen auch in Freiluftvolieren hätten aufhalten können.
Sarah trug als einzige Waffe ihren Spazierstock bei sich, der eine sehr scharfe Spitze hatte. Damit würde sie kaum ihr Leben verteidigen können, wenn es hart auf hart kam, aber einige Angriffe würde sie schon abwehren können, besonders die attackierende Vögel.
Da noch etwas Zeit blieb, schauten sich die drei den Plan noch einmal an. Suko hatte den Weg vorgezeichnet, den Sarah nehmen sollte. Sie gingen ihn noch einmal durch, wobei sich Shao etwas abseits hielt und so etwas wie eine Wachfunktion übernommen hatte.
Suko und Sarah flüsterten. Gerade der Inspektor versuchte immer wieder, der älteren Frau Mut einzuflösen, was nicht einfach war, denn Sarah hatte noch immer den Angriff der blutgierigen Hunde vor Augen. Darüber sprach sie auch.
»Wenn sie kommen, werden wir sie hören, Sarah. Shao und ich sind bewaffnet. Wir werden sie töten.«
Sarah nickte. »Das glaube ich euch. Aber ich denke einen Schritt weiter.« Sie runzelte die Stirn.
»Diese Person ist in der Lage, Macht über Tiere zu gewinnen, da gibst du mir recht - oder?«
»Sicher.«
»Gut. Ich glaube fest daran, daß sich diese Macht nicht nur auf Vögel und Hunde beschränkt. Schau dich hier um, Suko. Du wirst eine Menge Tiere sehen, auch Raubtiere. Wenn die dieser Person ebenfalls gehorchen, glaube ich nicht, daß wir große Chancen haben.«
»Das ist wohl wahr.«
»Siehst du.«
»Aber du hast vergessen, daß sich Löwen, Tiger, Pumas, Wölfe und wer auch immer in den Käfigen oder in gesicherten Freigehegen befinden. Ich glaube nicht, daß sie diese Grenzen so einfach überwinden können.«
Sarah lächelte. Dabei streichelte sie Sukos Wange. »Du bist lieb, daß du mir Mut machen willst.«
»Das ist nicht lieb, ich meine es ehrlich.«
»Schon gut.« Wieder blickte sie auf die Uhr. »Tja, auch wenn es mir schwerfällt, ich werde dann gehen.«
Suko nickte. »Den Weg hast du dir eingeprägt?«
»Sicher.«
»Dann alles Gute. Wir versuchen jedenfalls, in Sichtweite zu bleiben. Und wenn etwas passieren sollte, dann schrei.«
»Werde ich machen.« Sie hatte die Antwort mit kratziger Stimme gegeben, drehte sich hastig zur Seite, nickte Shao kurz zu und trat in den Schatten der Bäume, als würde sie in einen Tunnel laufen.
Shao und Suko schauten ihr nach. Die Chinesin nagte auf ihrer Unterlippe. »Was denkst du, Suko?« flüsterte sie.
Er hob die Schultern.
Shao strich über ihre Arme, weil sie ein plötzliches Frösteln verspürt hatte. »Ich habe Angst, Suko, daß es diesmal nicht gutgeht…«
Der Inspektor schwieg.
***
Sarah Goldwyn schaute sich nicht einmal um. Sie ging den Weg, den sie gehen mußte, und sie war versunken in ihre eigenen Gedanken, wobei sie die Geräusche der fernen und nahen Tiere kaum hörte, selbst das Trompeten der Elefanten nicht.
In diesen Augenblicken fühlte sie sich so schrecklich allein, und ihre Gedanken drehten sich dabei um den Tod. Sie hatte den Freunden gesagt, daß es ihr nicht viel ausmachen würde, irgendwann zu sterben, aber nun, wo sie sich konkret damit beschäftigte und dieser Fall auch mit dem Tod enden konnte, wurde ihr schon mulmig zumute.
Sie wollte leben.
Sie wollte die Jahre noch genießen, die ihr blieben, und sie wollte auch nicht durch die Hand einer Person sterben, die sie nicht kannte. Eine namenlose Hexe, die sich rächen wollte, eigentlich an Jane, sich aber ein leichteres Opfer ausgesucht hatte.
Die Bäume blieben, lichteten sich aber, weil sie teilweise beschnitten waren. Hier begann das Gehege der Vögel, und Sarah Goldwyn erschreckte sich einige Male, als sie die Rufe und Schreie der Tiere hörten, die frei umherflogen.
Sie schaute nach links. Dort malte sich der grüne Maschendrahtzaun ab, der im immer schwächer werdenden Licht nur sehr schwer zu erkennen war. Menschen sah sie nicht mehr, dafür tobten die Vögel durch das Gehege, und Lady Sarah entdeckte sie immer
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