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0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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im Nebenberuf renommierte Wissenschaftler entführt. Von daher: zum Teufel mit den Rollenklischees.«
    Die Stimme im Lautsprecher kicherte leise. »Sie spielen gut, Mister. Touché. Aber verraten Sie mir eins: Wenn Sie in der Lage sind, sich allein mittels Gedankenkraft von Ort zu Ort zu bewegen, warum tun Sie's nicht? Warum befreien Sie sich nicht aus Ihrer misslichen Lage?«
    Ja, das wüsste ich auch gern… »Gute Frage«, antwortete Gryf betont beiläufig. »Ich vermute, Sie haben mir irgendeine hemmende Droge untergejubelt. Oder so.«
    »Oder so«, wiederholte Morrow. »Tun Sie mir einen Gefallen, Sie Tourist. Öffnen Sie doch mal den Kasten da vor Ihnen.«
    Der Silbermond-Druide stutzte. »Und dann?«
    »Das sehen Sie dann schon. Nun los.«
    Warum nur komme ich mir hier wie ein Versuchskaninchen vor? Gryf beugte sich vor, betrachtete den seltsamen Sarg. »Wer ist das da drin?«, fragte er.
    Es war ein Schuss ins Blaue, aber er traf. »Er war einmal mein Sohn«, antwortete Morrow von jenseits des Spiegels. »Aber jetzt - und mit Ihrer nahezu vom Schicksal gesandten Hilfe, wie ich hinzufügen möchte - könnte er zum Werkzeug werden, mit dem sich dauerhafter Frieden auf Erden gewährleisten lässt!«
    Kapitel 10 - Morrow: Die Sünden der Väter
    London, 1983
    Nigel stand auf der Empore des Lesesaals, als Julian zu seinem Platz zurückkehrte. Fast so, als wolle er ihn verspotten. Morrow kümmerte sich nicht darum. Das letzte Jahr hatte ihn gelehrt, diesen neuen ständigen Begleiter nicht weiter zu beachten. Solange… solange es dabei blieb.
    Sorgsam rückte Julian seinen Stuhl zurecht, setzte sich und vertiefte sich abermals in die Unterlagen, die der Bedienstete der British Library ihm aus den hintersten Archiven geholt hatte. Der Bibliothekar, der Julian mit seinen buschigen Koteletten und dem gebückten Gang frappierend an ein Eichhörnchen erinnerte, verwünschte ihn vermutlich noch immer für seine obskuren Recherchewünsche.
    Aber es hatte sich gelohnt. Oh, ja.
    Vor einigen Monaten hatte Julian die erste Spur gefunden und sich seitdem mit Meteorologen, Geologen und anderen Wissenschaftlern getroffen. Sein Name, sein akademischer Ruf und sein Geldbeutel hatten es möglich gemacht, dass selbst unerreichbare Koryphäen seine Gesprächswünsche angenommen und ihn warmherzig begrüßt hatten… bis er ihnen den wahren Grund seiner Suche geschildert hatte.
    Danach war ihm nur noch Gelächter begegnet, Hohn und Spott.
    »Sie verschwenden meine Zeit.«
    »Sie sind größenwahnsinnig.«
    »Sie sollten Romane schreiben, da wäre Ihre blühende Fantasie besser aufgehoben.«
    Diese und ähnliche Absagen waren ihm begegnet, wo immer er die Hintergründe seiner Mission offen legte. Julian konnte es den Akademikern nicht verdenken. An ihrer Stelle - und ohne die Erfahrung, die er selbst hatte machen müssen - hätte er sich auch nicht geglaubt. Aber kein Nein musste von Dauer sein. Wenn er seine Hausaufgaben machte, seine Recherchen abschloss und die nötigen faktischen Beweise erbrachte, würde er selbst die kritischsten Skeptiker von der Rechtschaffenheit seines Tuns überzeugen. Mit der Zeit.
    Ich schaffe es, Nigel , dachte er, hob den Kopf und blickte abermals zur Empore - und zu der kleinen Kindergestalt, die nur er sehen konnte. Die ihn begleitete, seit Donna sie ihm in jener Nacht in Oxford gebracht hatte.
    War es Wahnsinn, dass er den Geist seines toten Sohnes sah, wo immer er hinging? War es Zeichen einer dramatischen Bewusstseinsspaltung, dass er den Eindruck hatte, Nigels Anwesenheit steuere ihn, lenke seine Forschungen in die richtige Richtung und verleihe ihm neuen Antrieb, neuen Ehrgeiz? Oder war all dies nur eine besondere Form der akademischen Inspiration?
    Das ist egal. Nigels Stimme in seinen Gedanken. Lächelnd sah der Junge auf ihn hinab. Entscheidend ist, dass du es tust.
    Julian nickte.
    ***
    Langley, 1994
    Der Kaffee schmeckte so bitter, wie das kleine Diner aussah. Dicke Regentropfen prasselten gegen die Fensterfront. Sie passten zu seiner Stimmung. Julian saß auf einem speckigen Hocker an einer speckigen Theke und sah zu, wie ein speckiger Hinterwäldler auf einer versifften Heizplatte zwei tiefgefrorene Burger briet. Es war früher Abend, Essenszeit, und der Laden halbwegs gut besucht - trotz des herbstlichen Unwetters vor der Tür. Julian fragte sich nicht zum ersten Mal, ob die beiden Nadelstreifen in dem schwarzen Pontiac Grand Am noch immer auf der anderen Straßenseite parkten und ihn

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