0927 - Nacht über GALAHAD
wieder auf der Bohrinsel fest - ohne eine Ahnung davon, was mit Gryf geschehen war. Oder was mit ihnen allen geschehen würde, wenn Morrow bekam, was er wollte.
Baudoin ergriff die Initiative. Mit knappen Worten stellte er den beiden Neuankömmlingen die Wissenschaftler vor und umschrieb, was diese bereits über die Geschehnisse auf GALAHAD wussten. Er erzählte von Julian Morrow und von dem Nebel, der Morrows Berechnungen zufolge in Bälde eintreffen werde. »Morrow will ihn einfangen. Ganz so, wie er vor Jahren schon eine Probe eingefangen hat. Falls du in Paris warst, Zamorra, hast du vermutlich einen Teil davon gesehen, denn er hat mir etwas zugeschickt, um mich für seine Sache zu begeistern.«
»Und was will er damit?«, fragte Teri. »Was hat er davon, den Nebel einzufangen - vorausgesetzt, er kann das überhaupt? Will er die Welt davon befreien?«
Baudoin schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er will lernen ihn zu steuern. Morrow sieht in ihm das Potenzial für eine Waffe, und…«
In diesem Moment schwang die Tür des Besprechungszimmers auf und der Erwähnte trat über die Schwelle. Der Lauf seiner Waffe glänzte im Licht der Deckenbeleuchtung - fast so hell, wie das Funkeln in seinen Augen.
»Was ist denn, Monsieur Baudoin?«, fragte Morrow in unschuldigem Tonfall. »Sprechen Sie ruhig weiter. Bisher habe ich keinen Grund, Ihren Theorien über meine Motive zu widersprechen.«
»Sie… Sie…« Remy verstummte.
»Na gut, dann springe ich eben selbst in die Bresche«, sagte der Mann im Tweedanzug. »Miss Rheken, Monsieur Zamorra - ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen. Gryf hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Ach, und Miss Rheken, an Ihrer Stelle würde ich gar nicht erst daran denken, wieder von Bord zu teleportieren. Nicht, wenn sie Ihren Freund noch einmal lebend wieder sehen wollen!«
»Wo ist er?«, brauste Teri auf. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Ich habe ihn dort eingesperrt, wo ich den Nebel zu bannen beabsichtige. Die Kammer besteht aus einem Material, das ich selbst entwickelt habe - absolut undurchlässig. Dichter geht es gar nicht. Und genau, wie ich hoffte, kann sich selbst Ihr Gryf nicht daraus befreien.«
»Was wollen Sie mit ihm?«, hakte Zamorra nach. »Sie sind hinter Winterbottoms Nebel her, nicht hinter Gryf. Was für einen Nutzen soll er Ihnen schon bringen?«
Morrow hob die Brauen. »Gratulation, Monsieur. Sie scheinen Ihre Hausaufgaben gemacht zu haben, das freut mich. Wie Monsieur Baudoin bereits andeutete, will ich den Nebel zu militärischen Zwecken einsetzen. Welche Waffe könnte besser sein, als eine, die immer und überall lautlos und unbemerkt auftauchen kann? Gewehre muss man transportieren, Kanonen, Panzer… Aber Nebel? Nebel macht keine Umstände - und er ist deutlich pflegeleichter als der ganze Rest.« Er lachte leise. »Mit Winterbottoms Nebel, um Ihre Formulierung zu verwenden, kann man sämtliche Krisenherde dieser Welt befrieden. Man muss nur wissen, wie man ihn steuert. Ihr Freund Gryf kann mir dabei helfen, indem er sein Talent zur zeitlosen Teleportation zu einem Teil des Nebels werden lässt.«
»Das ist doch Unsinn, Morrow!« Zamorra appellierte an seine Vernunft. »Wenn Sie sich ein wenig informiert haben, wissen Sie, was der Nebel aus den Menschen macht. Wie sollte so eine Kraft friedlichen Zwecken dienen?«
Der Engländer zuckte zusammen, als habe man ihn geschlagen. »Sie wagen es?«, brauste er auf und ging auf den Professor zu. »Sie erdreisten sich, den Nutzen meiner Bemühungen infrage zu stellen? Zamorra, Sie haben ja keine Ahnung von dem Opfer, das ich gebracht habe!«
Dann hielt er seinem Gegenüber die Waffe direkt ins Gesicht. »Aber ich zeige es Ihnen gerne. Monsieur, Miss Rheken… Wenn Sie mir bitte folgen würden?«
***
Der Anblick war grauenvoll, bohrte sich in ihren Geist und zerriss ihr Herz.
Gryf. Gefangen in einer fensterlosen Kammer jenseits des Spiegelfensters. Und mit ihm der Wahnsinn.
Inmitten der Eindämmungskammer stand eine Gestalt von kindlichem Wuchs, seltsam unscharf und bestehend aus nichts als grünlichem Dunst. Dicke Nebelfäden gingen von dem Wesen ab, waberten zu Gryf hinüber und drängten sich in dessen Nase, dessen Mund. Sie machten ihn langsam aber sicher zu einem Teil von sich. Egal, wie sehr er sich wehrte.
Fassungslos starrte Teri durch die Scheibe und auf den alten Gefährten, der sich vor ihren und Zamorras schreckgeweiteten Augen zusehends in eines der quallenhaften Wesen
Weitere Kostenlose Bücher