0928 - Das Hexendiadem
weiß es so wenig wie du«, murmelte Cira. »Aber wir müssen es herausfinden, wenn wir etwas gegen sie unternehmen wollen. Ich schaue, dass ich irgendwo qualifizierte Hilfe finde. Gut?«
»Was sollte ich dagegen haben?« Ciranoush schmiegte sich fest an ihn und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. »Wir schaffen das«, flüsterte sie. »Ich lasse nicht zu, dass diese verdammte Hexe dich mir wegnimmt, mein Herz. Weißt du, wir könnten herumfragen, ob jemand den Namen Madeleine Brissac kennt. Und ich werde in der alten Familienchronik nachschauen, ob ich da etwas finde. Könnte doch sein. Da stehen immer die interessantesten Sachen drin.« Jerome fühlte sich jetzt so elend, dass er nicht einmal mehr nicken konnte. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass sich eine Schlinge um seinen Hals gelegt hatte, die sich ganz langsam zuzog. Das Leben war so schön. Aber wie lange würde es noch gehen?
»Ja, passiert ist also nichts mehr«, schloss Ciranoush ihre Kurzerzählung ab. »Aber ich habe mich ein bisschen schlau gemacht, indem ich gestern die ganze Nacht in der Familienchronik gekramt habe. Darin kommt tatsächlich eine Madeleine Brissac vor.«
»Und?«, fragte Nicole interessiert.
»Madeleine Brissac ist wohl wirklich eine Hexe«, platzte es aus Ciranoush heraus. »Sie hat im 12. Jahrhundert auf Gut Caraman gelebt und war ein Hausmädchen, genau wie ich. Der damalige Duc Adhemar de Caraman hat sie sich zur Geliebten erwählt. Sie musste es werden, sie hatte gar keine andere Wahl. So behauptet es jedenfalls die Chronik.« Cira schüttelte sich. »Ob Graf Adhemar wohl ein schöner Mann war? Leider habe ich keine Bilder von ihm gefunden und in der Ahnengalerie hängt auch keins. Ist ja wohl auch zu lange her. Puh, wenn ich dran denke, ich müsste Monsieur Maurice zu Willen sein, eine grässliche Vorstellung. Aber vielleicht hat Madeleine Brissac es ja gerne gemacht? Vielleicht musste Adhemar sie gar nicht wirklich zwingen?«
»Das werden wir wohl nie mehr erfahren, auch wenn das sicher ein interessanter Aspekt des Ganzen ist. Was war dann?«
»Na ja, Duchesse Felipa, Adhemars Frau, hat von dem Verhältnis Wind bekommen. Die gute Felipa muss ein ziemliches Biest gewesen sein. Sie hat die unschuldige Madeleine entführen und im Verlies von Château de Caraman, wie das Maison damals noch hieß, wochenlang grausam foltern lassen. Danach hat sie sie höchstpersönlich umgebracht.«
»Es gibt Verliese unter dem Haus?«
»Ja«, bestätigte Ciranoush. »Ziemlich weitläufige sogar. Aber sie sind längst gesperrt, weil immer wieder Ziegel und Mauerbrocken von den Decken fallen. Das war das Erste, was ich nach meiner Ankunft auf Caraman zu hören bekommen habe: Gehen Sie nicht in die Verliese. Sehr gefährlich.«
»Aha. - Also weiter im Text.«
»Die Chronisten schreiben, dass sich Madeleine Brissac heimlich mit Hexerei beschäftigt hat und wohl kurz vor ihrem Tod fürchterliche Rache geschworen hat. So nach dem Motto: Ich komme alle 77 Jahre wieder und hole mir einen aus dem Geschlecht der Caraman oder so.«
»Und das hat sie dann gemacht.«
Ciranoush nickte. »Hat sie wohl. Sonst wäre sie nicht jetzt wieder aufgetaucht. Ich muss das erst noch nachlesen, wenn's denn drinsteht in der Chronik.« Sie schüttelte den Kopf. »Was um Himmels willen will die Hexe dann aber von meinem Jerome? Der ist ganz sicher kein Caraman.«
»Hast du ihn gefragt?«
»Nein, er weiß noch nichts von meinen neuen Erkenntnissen. Ich glaube, er will sie auch gar nicht hören.«
***
Maison Caraman
Jerome Dufy seufzte. Die Erinnerung an das seltsame Ereignis verblasste immer mehr. Das Auftauchen der Hexe war sicher eine Massenhalluzination gewesen. Oder vielleicht doch ein hundsgemeiner Streich von irgendjemandem, der sich selbst nach vier Tagen noch immer ins Fäustchen lachte. Er hatte nachgelesen, dass es heute kein Problem mehr war, möglichst lebensechte 3D-Bilder und Filme frei in die Luft zu projizieren. War es das gewesen?
Egal, irgendwas, auf jeden Fall gibt es keine Hexen. Jedenfalls keine, die fliegen und zaubern können. Ich krieg die Krise, wenn ich an diesen Mist denke und wie blöd wir darauf reagiert haben. Ich hätte cool bleiben müssen. Ganz cool. Und auf die Hexe zugehen und ihr eine in die Fresse semmeln. Mal sehen, was dann passiert wäre. Wahrscheinlich wäre ich vom Schwung nach vorne gekippt, weil ich durch die reine Luft geschlagen hätte…
In der Zwischenzeit regte sich Jerome fast schon darüber auf, mit
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