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0928 - Das Hexendiadem

0928 - Das Hexendiadem

Titel: 0928 - Das Hexendiadem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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welchem Feuereifer Cira noch immer nach Hilfe für ihn suchte. Sie schien den drittklassigen Hexenauftritt voll und ganz gefressen zu haben.
    Hoffentlich dreht sie nicht noch ab dabei. Ich muss jetzt wirklich mal ein ernsthaftes Wort mit ihr reden.
    Wahrscheinlich hatte auch der Tag Urlaub, den sie bei Monsieur Caraman beantragt und seltsamerweise bekommen hatte, etwas mit ihrer heiligen Mission , wie sie es nannte, zu tun. Sie hatte ja nichts sagen wollen; das tat sie ohnehin immer weniger, je mehr er sich von der Hexe distanzierte.
    Sein Pferd kam ihm in den Sinn. Gott sei Dank hatte Napoleon von alleine nach Hause gefunden. So war im Endeffekt keinem etwas passiert und deswegen wollte er die Sache auch auf sich beruhen lassen. Den ganzen Morgen mistete Jerome die Ställe aus, danach ging er mit einem Vollblut auf die kleine Rennbahn, die Othon Duc de Caraman, der Vater des heutigen Maurice Duc de Caraman, ein Stück hinter dem Haupthaus hatte anlegen lassen. Aber der junge Mann konnte sich nicht konzentrieren und fiel dem Pferd direkt vor die Hufe. Das war ihm höchst peinlich, denn der Graf, der sich von allen Angestellten ganz bescheiden Monsieur Maurice nennen ließ, hatte ihm schon eine ganze Weile zugeschaut und bekam den Sturz hautnah mit. Der mittelgroße, drahtige Mann mit dem weißen Seehundschnauzbart und den halblangen, nach hinten gekämmten Haaren näherte sich Jerome mit großen Schritten, streckte ihm die Hand hin und zog ihn hoch.
    »Na, mein Junge, geht's wieder?«, fragte er fürsorglich. Dann legte er den Arm um Jeromes Schulter und drückte ihn väterlich an sich. »Was ist heute nur los mit dir? Ich denke, du solltest Schluss machen und dir einen freien halben Tag nehmen.«
    »Danke, Monsieur Maurice«, stammelte Jerome. »Ja, ich glaube, das werde ich tun. Nochmals danke, Monsieur.«
    »Schon gut«, lächelte Maurice Caraman und gab ihm einen Klaps auf die Wange.
    Jerome mochte seinen Brötchengeber ziemlich gerne. Monsieur Maurice lächelte oft, sein Wesen hatte etwas durch und durch Positives. Und wenn er sich mit Jerome unterhielt, lächelte er besonders oft. Das war Jerome schon öfters aufgefallen. Und anderen auch. Vor allem Madame Amelie, Monsieur Maurices Frau, hatte ihn deswegen schon auf seltsame Art und Weise gemustert. Auf sehr seltsame Art und Weise. Jerome konnte sich keinen Reim darauf machen. Auch nicht darauf, dass er deutlich mehr freie Tage und Zuwendungen bekam als andere Angestellte.
    Egal. Er würde den halben Tag nehmen und mit Napoleon am Strand reiten gehen. Monsieur Maurice hatte recht, er war unkonzentriert und merkte es selbst. Vielleicht würde ihm die frische Seeluft den Kopf wieder frei blasen.
    Es war früher Nachmittag, als Jerome Dufy Napoleon sattelte. Er wollte einen langen Ritt mit ihm unternehmen und ihn ausgiebig galoppieren lassen. Jerome war ein begeisterter Reiter, seit er vier Jahre alt war. Damals hatte ihm Monsieur Maurice ein Pony geschenkt. Und heute war er der Einzige, dem es Monsieur Maurice neben sich selbst erlaubte, den Hannoveraner Hengst Napoleon zu reiten. Ein Privileg, auf das er sich ebenfalls keinen Reim machen konnte. Die Begründung des Grafen, er sei einfach der beste Reiter unter den Pferdepflegern, war ganz offensichtlich eine Lüge. Ferdinand Bonne ritt bei weitem besser. Und da Monsieur Maurice ein absoluter Pferdefachmann war, konnte es sich nicht um eine grobe Fehleinschätzung handeln.
    Jerome lenkte die Stute über die grünen Hügel entlang der Küste. Nicht weit von hier gab es ein so genanntes Valleuse, einen breiten Taleinschnitt, der bis zum Wasser reichte; davon gab es nur ein paar, die die rund 120 Kilometer lange, steil abfallende Alabasterküste durchbrachen. Er ritt hinunter zum Strand. Die Sonne schien warm und veranstaltete wunderbare Lichtspiele auf dem Ärmelkanal, der sich breit und tief blau vor ihm erstreckte. Weit draußen zog ein großes Schiff am Horizont entlang. Ein leichter, nach Meersalz riechender Wind ging; schreiende Möwen nutzten ihn als Spielplatz zum Segeln. Alles war so hell, ruhig und friedlich. Jerome atmete tief durch. Dann lenkte er Napoleon hinunter zum breiten Sandstrand, der sich hier über gut zwei Kilometer erstreckte und der zum Besitz der Caramans gehörte. In der Ferne war eine der alabasterfarbenen, über 100 Meter tief abfallenden Steilklippen zu sehen, die der Küste ihren Namen gaben. Sie würde sein Ziel sein.
    Napoleon scharrte ungeduldig mit dem Vorderhuf. Und schon ging sie

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