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0928 - Das Hexendiadem

0928 - Das Hexendiadem

Titel: 0928 - Das Hexendiadem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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Jerome, wie gefällt dir das?«, flüsterte sie. »Dachtest wohl, ich sei nicht echt, was? Nur ein Albtraum, den jeder mal haben kann. Aber es stimmt. Ich bin ein Albtraum. Dein Albtraum, mein Lieber. Denn ich kann dich holen, wann immer ich will. Bei Nacht, bei Tag, es macht keinen Unterschied.«
    Sie wühlte sich in seine Haare und zog ihm den Kopf so weit nach hinten, dass es in den Nackenwirbeln knackte. Er kreischte.
    »Ja, schrei dir die Angst aus dem Leib, Jerome, schrei. Du wirst noch lange schreien. Denn noch ist es nicht so weit, noch haben wir viel Zeit. Du hast noch lange nicht genug gewinselt, Jerome, weißt du das? Ich will dich noch viel mehr leiden sehen. Ich will, dass deine Angst unerträglich wird, bei jedem Schritt, den du machst. Das sind mein Lebenselixier und meine Rache. Du und deine Brut, ihr müsst vor Grauen vergehen. Bis ans Ende aller Zeiten.« Unvermittelt lachte sie. Und noch immer versuchte Napoleon verzweifelt, seine böse Last loszuwerden. Er stieß Laute aus, die Jerome noch nie bei einem Pferd gehört hatte.
    Von einem Moment zum anderen war Madeleine Brissac wieder weg. Und mit ihr die unheimliche Kraft, die sie und ihr Opfer auf dem bockenden Pferd gehalten hatte. In weitem Bogen flog Jerome auf den Sand. Stöhnend blieb er liegen. Ein Stück weiter vorne sah er Napoleon stehen, mit hängendem Kopf und bebenden Flanken.
    »Lieber Gott im Himmel«, krächzte er in den unendlichen blauen Himmel hinauf, an dem kleine weiße Wölkchen aufgezogen waren. »Wenn es dich gibt, dann beschütze mich vor diesem Monstrum, ich flehe dich an. Beschütze meine Seele.«
    Als Antwort formte eine größere Wolke direkt über ihm Madeleine Brissacs höhnisch lächelndes Gesicht nach. Und die berühmten Worte aus Dante Allighieris »Göttlicher Komödie« brannten sich wie ein Fanal in seinen Geist:
    Lass alle Hoffnung fahren.
    ***
    Jerome Dufy stand zitternd da. Auf dem Handy versuchte er Ciranoush anzurufen, aber nur die Mailbox meldete sich. Er stammelte etwas drauf. Völlig verstört führte er anschließend den Hengst nach Hause, denn er traute sich nicht mehr, aufzusitzen, aus Angst, die Hexe könnte ihn erneut attackieren. Er versorgte Napoleon und ging dann durch den Park von Maison Caraman zum Fachwerkhäuschen, das inmitten eines gepflegten Stücks Rasen und zahlreichen bunten Blumenbeeten lag.
    Grandmaman Lin war gerade mit dem Kochen des Abendessens beschäftigt. Es würde »Eintopf Müllerinnen Art« geben, eines von Jeromes Lieblingsgerichten. Das fein zubereitete Gemisch aus Pilzen, Zwiebeln, Hühnerbrust und einer Kräutersoße konnte er eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit essen.
    Jetzt war ihm allerdings nicht danach.
    »Was ist denn mit dir los, mein Junge?«, fragte Großmutter Pauline irritiert und schob die Brille auf die Nasenspitze, während sie mit dem Anrühren der Kräutersoße innehielt. Ihr einst schönes Gesicht war heute unendlich faltig und die hoch toupierten weißen Haare sahen auch nicht gerade vorteilhaft aus, aber ihre blitzenden Augen verrieten einen immer noch wachen Geist.
    Sorge schlich sich in ihr Gesicht, als sie ihren Enkel näher betrachtete. »Du bist ja käseweiß und vollkommen durch den Wind, mein Junge. Man könnte meinen, du hättest ein Gespenst gesehen. Und schmutzig bist du auch. Und da, dein Hemd an der Brust, zerrissen. Was ist passiert? Bist du vom Pferd gefallen?«
    Jerome setzte sich an den kleinen Tisch in der Ecke, auf dem die Schüssel mit den eingelegten Hühnerbrüsten stand. »Darf ich dich etwas fragen, Grandmaman?«
    »Wenn ich nein sagen würde, würdest du's wahrscheinlich trotzdem tun. Also frag mich.«
    Jerome nickte. »Sagt dir der Name Madeleine Brissac etwas?«
    Erstaunt sah Jerome, dass Grandmaman Lin mit einem Schlag kalkweiß war und ihren Löffel so in die Kräutersoße fallen ließ, dass das Tischtuch hernach wunderhübsche Sprenkelmuster aufwies.
    »Mad… Madeleine Brissac?« Ihre Augen waren weit aufgerissen, sie schlug furchtsam drei Kreuze. »Um Gottes willen, Junge, warum fragst du das? Woher hast du diesen Namen?«
    So durcheinander hatte Jerome seine Grandmaman erst einmal gesehen: Damals vor acht Jahren, als seine Mutter Erin gestorben war. Ansonsten ruhte seine Großmutter kraft ihrer 98 Jahre in sich selbst. So schnell brachte sie nichts mehr aus der Fassung. Normalerweise. Der Name Madeleine Brissac tat es aber. Und dann gleich so.
    Dabei hatte er nicht im Entferntesten damit gerechnet, gleich so einen

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