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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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streckte mir die Hand entgegen. »Los, alter Sack, komm hoch!«
    »Von wegen alter Sack.« Ich stand selbst auf – und verzog das Gesicht, weil ich die Stiche in meinem Kopf spürte. So richtig okay war ich noch nicht.
    »Wo suchen wir ihn?«
    Ich hob die Schultern. »Da gibt es doch in der Nähe dieses Dorf. Wie heißt es noch gleich?«
    »Petlery.«
    »Wunderbar. Dieser Nackte stromert zwar durch die Gegend, aber ich kann mir vorstellen, daß ihn der eine oder andere Zeuge schon gesehen hat. Und danach werden wir uns erkundigen.«
    Wir verließen den Wald und gingen zurück zu Stahls Auto. Es war noch immer sehr warm, mir aber war kalt, und ich dachte immer wieder an den einen Satz:
    »Ich bin die Angst!«
    ***
    Jovanka hatte die Nacht normal verbracht und sogar tiefer und fester geschlafen als sonst. Sie hatte sich am anderen Morgen richtig erfrischt gefühlt und freute sich darauf, aufstehen zu können. Den Morgen hatte sie regelrecht herumgegammelt, die Tiere gefüttert, selbst etwas gegessen und über den unheimlichen Besucher nachgedacht, der sie so heftig umarmt hatte, als sollte sie seine Geliebte werden.
    Sie war es in gewisser Hinsicht auch geworden, denn sie wußte, daß er eine Veränderung herbeigeführt hatte. Sie stand jetzt in seiner Nähe, obwohl sie nicht so war wie er, aber es hatte sich schon etwas bei ihr verändert.
    Was es war?
    Sie wußte es selbst nicht. Die seltsame Unruhe in ihrem Innern ließ sich noch hinnehmen. Merkwürdiger war jedoch, daß sich einige Fliegen aus ihrem Körper gelöst hatten. Sie waren aus den Rissen gekrochen, die auch die ersten hinterlassen hatten.
    Also steckte sie in ihr.
    Normalerweise hätte sie sich davor gefürchtet, hätte geschrien, wäre weggelaufen, aber heute dachte sie anders darüber, ganz anders.
    Sie wollte bleiben, denn sie fühlte sich in ihrem kleinen Haus geschützt. Nur hatte sie nicht vor, noch länger in ihrem Haus zu verweilen, sie mußte zum Händler und etwas einkaufen.
    Diesmal ging sie ohne Kopftuch. Als sie die Tasche nahm, in der sonst die Friedhofswerkzeuge steckten, da fiel ihr ein, daß sie am heutigen Tag zum erstenmal seit langer Zeit nicht mehr das Grab ihres Sohnes besuchen würde. Komischerweise machte es ihr gar nichts aus.
    Sie trug eine weißgelbe Bluse und einen dunklen Rock, als sie das Haus verließ. Die Sonne brannte und blendete sie auch, und die Frau spürte in ihrem rechten Nasenloch ein Kribbeln. Sie rechnete damit, niesen zu müssen, was aber nicht passierte. Dieses Kribbeln hatte einen anderen Grund. Aus dem Nasenloch krabbelte eine dicke Schmeißfliege, die kurz darauf davonschwirrte.
    Lächelnd schaute Jovanka dem Insekt nach. Das Jucken in ihrer Nase hatte aufgehört, aber in ihrem gesamten Körper spürte sie es noch, wenn auch nicht so stark.
    Die Katzen hatten sie beobachtet, wie sie das Haus verließ. Jovanka kannte das Spiel. Sobald die drei sie entdeckten, kamen sie an, um sie zu begrüßen. So war es immer gewesen, bis heute, denn nun verhielten sich die Tiere völlig anders.
    Sie blieben zurück, sie standen da, und ihre Rücken bildeten Buckel. Eine, die sich näher an die alte Frau herangetraut hatte, öffnete das Maul und schickte ihr ein bösartiges Fauchen entgegen, was die Katze sonst nur bei Hunden tat, aber nicht bei einem Menschen, den sie schon lange kannte.
    Danach zog sie sich zurück, und auch die anderen beiden suchten rasch Verstecke auf.
    Jovanka nahm es zur Kenntnis, lächelte dünn und setzte ihren Weg fort. Sie wohnte nicht direkt in der Mitte des Ortes, wo der einzige Lebensmittelhändler von Petlery sein Geschäft besaß. Er hieß Karel Picek. Seine Frau hörte auf den Namen Anna, und beide waren Menschen, die das Leben enttäuscht hatte.
    Nach der Wende hatten sie ihren Laden umgebaut und auch andere Lebensmittel in ihr Sortiment aufgenommen. Sie hatten damit gerechnet, daß ihr Sohn mit ins Geschäft einsteigen würde, der aber wollte nicht und war nach Karlsbad gegangen, wo er als Masseur arbeitete, denn die alte Kurstadt boomte.
    So waren die Piceks allein geblieben und überlegten, wie lange sie den Laden noch geöffnet führen wollten.
    Jovanka war Kundin in dem Laden. Sie kaufte dort auch die Getränke, meistens Bier.
    Die leeren Flaschen hatte sie in ihre Tasche gesteckt. Bei jedem Schritt schlugen sie gegeneinander und begleiteten mit ihrer »Musik« die ältere Frau. Im Gegensatz zur Nacht hatte sich in Petlery nicht viel geändert. Der Ort war ziemlich leer, weil die

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