0929 - Krieg der Vampire
die Tür. Sinje-Li soll mich so nicht unbedingt sehen.« Starless kam dem Befehl nach.
Jetzt erst konnte er erkennen, wie Morano sich verändert hatte. Seine ganze Körperspannung… alles an ihm erinnerte nun an einen Greis und nicht mehr an den jugendlich wirkenden Tan Morano, dem alle Frauen zu Füßen gelegen hatten.
Morano winkte nur ab, bevor Starless den Mund aufmachen konnte.
»Ich weiß genau, was du jetzt denkst, aber ich habe alles im Griff. Der Kristall gehorcht mir, aber er versucht, mir all meine Lebenskraft zu entziehen. Ich werde lernen, dies zu verhindern. Vielleicht habe ich den Fehler begangen, ihn nicht lange genug zu erproben, um diese Probleme auszuschalten. Doch was geschehen ist, ist geschehen. Ich brauche einige Stunden, doch dann kann ich all diese Auswirkungen auf mich rückgängig machen. In dieser Zeit musst du dafür sorgen, dass ich möglichst ungestört bleibe. Also musst du meine Augen und meine Ohren sein, hast du das verstanden?«
Starless nickte nur wortlos. Sein Blick war auf Moranos rechte Hand gefallen. Entsetzt registrierte er, dass der Daumen pechschwarz war - es schien, als bestünde er aus Holzkohle! Dieser Teil von Moranos Hand war abgestorben. Starless konnte sich nicht vorstellen, wie das rückgängig gemacht werden konnte. Doch er schwieg auch dazu. Es schien einfach noch nicht an der Zeit zu sein, um Morano Fragen zu stellen. Der alte Vampir wandte sich um. Einen Augenblick schien er zu überlegen, was er überhaupt in diesem Raum gesucht hatte. Dann öffnete er die Tür und schlich zurück in seine Zimmer… oder sollte man besser sagen, er kroch? Denn Morano bewegte sich wie ein waidwundes Tier, das schwer verwundet sein Heil in der Flucht suchte.
Für einige Minuten blieb Starless in der offenen Tür stehen.
Die Nacht war noch lang - vielleicht besaß Morano ja tatsächlich die Fähigkeit, sich selbst zu regenerieren. Die Selbstheilkräfte der Vampire waren stark, doch Starless hegte Zweifel, ob Morano sich selbst da nicht schon wieder überschätzte.
Starless ging wieder nach draußen, um in die Nacht hinaus zu lauschen.
Irgendetwas war dort, irgendetwas geschah, dass er nicht fassen, nicht ausloten konnte.
»Spürst du es auch?« Starless zuckte heftig zusammen, denn er hatte nicht bemerkt, dass Sinje-Li direkt hinter ihm erschienen war. »Du solltest nicht so schreckhaft sein, das passt nicht zu einem Vampir deines Levels.«
Starless winkte nur ärgerlich ab und schluckte eine Bemerkung, die ihm vorne auf der Zungenspitze lag. Es hatte keinen Sinn, sich mit Sinje-Li unsinnige Machtkämpfe zu liefern, denn zurzeit waren sie aufeinander angewiesen. Sie waren Moranos Schutz - nur sie alleine. Auch wenn Starless Bibleblack stets seine ganz eigenen Ziele im Sinn hatte, so fühlte er sich nun für den Herrn über alle Vampire verantwortlich.
»Kannst du erkennen, was da vor sich geht?«
Sinje-Li stellte sich nun dicht neben Starless. Auch ihr Blick war starr in die Finsternis gerichtet.
»Nein, leider nicht - noch nicht, zumindest. Es ist noch zu weit entfernt… oder es schützt sich, blockiert sich selbst gegenüber anderen. Aber es ist sicher falsch ausgedrückt - es sind viele, sehr viele sogar. Vielleicht einhundert… oder mehr.«
Starless ahnte, was sich dort zusammenbraute und er wusste, dass Sinje-Li ebenso dachte.
»Was tun wir?« Die schöne Raubvampirin fragte ganz naiv, doch Starless war überzeugt, dass sie bereits selbst nach Lösungen gesucht hatte.
»Nichts. Wir warten ab, was geschieht. Und wir hoffen, dass sich Morano rechtzeitig zeigen wird, denn wir sind nur zu zweit.« Er warf einen Blick auf Sinje-Li, die ihn bisher weitgehend ignoriert hatte. Das würde sich vielleicht schon bald ändern, wenn sie Rücken an Rücken auf verlorenem Posten stehen sollten.
Plötzlich schien die Gestalt Sinje-Lis zu erstarren. Irgendetwas hatte sie entdeckt. »Ein Mensch… oberhalb des Dorfes - er kommt in unsere Richtung. Ich hole ihn.«
Ehe Starless etwas erwidern konnte, war die Vampirin bereits verschwunden.
Er hatte den Sinn ihrer Worte nicht richtig einordnen können. Also blieb ihm nichts anderes, als hier zu warten.
Und zu lauschen…
***
Die vier Clanherren trafen sich in dem ehemaligen Gasthaus des Dorfes.
Ägier - der Grieche - köpfte eine Weinflasche, die er im Regal hinter dem Tresen gefunden hatte. Er machte sich nicht die Mühe, nach einem Glas zu suchen. Gierig trank er direkt aus der Flasche, die er dann den anderen anbot.
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