093 - Die Toten stehen auf
hervorquellenden Froschaugen. Ganz Triumph.
Und Dorian glaubte, Hekates Herz schlagen zu hören. Hekate, die einst Alraune gewesen war, geboren aus einer Mandragora-Pflanze-Mensch geworden und den Dämonen verfallen - durch seine Schuld. Nun hatte sie ein Herz, das schlug. Ein schwarzes Herz. Schwarz wie die Nacht. Es pochte im Rhythmus des Bösen, den die Dämonen ringsum angaben. Sie schlugen den Rhythmus mit Stöcken, Pfannen, Steinen, Töpfen, Schuhen - mit allem, was ihnen gerade in die Krallen gekommen sein mochte. Und in diesem Rhythmus pumpte Hekates Herz das Blut aus ihrem Körper und hinein in die neunundvierzig Öffnungen der sieben Menhire.
Ein Näpfchen nach dem anderen füllte sich. Schon waren es zehn - dann fünfzehn. Hekates Haut wurde immer blasser, blutleerer, totenblaß. Schon waren dreißig Näpfchen gefüllt.
Dorian sank wieder in die unerforschlichen Abgründe des Spiegels, wurde vom Strudel der Zeit mitgerissen und fand sich irgendwann wieder in Ys.
Die Muttersau stand steif und breitbeinig da und fixierte mit ihren Schweinsäuglein wie hypnotisiert einen Punkt zwischen den beiden Ölflammen vor sich. Ihre Wamme hing tief herab, die Zitzen berührten fast den Boden. Man hatte ihr die Jungen weggenommen, damit sie die Milch behielt.
Eine jungfräuliche Tempeldienerin bewegte die Hand vor den Augen der Muttersau. Das Tier zeigte keinen Reflex.
Aus dem Tempel näherten sich die Priesterinnen in ihrem weißen Zeremoniengewand. Das Gebimmel kleiner Glöckchen begleitete sie. Steinklöppel schlugen gegen Steingehäuse, Saiteninstrumente wurden gezupft, Jungfrauen streuten Reisig.
Die Priesterinnen nahmen zwischen den sieben Langsteinen Platz, in die je sieben halbkugelförmige Öffnungen gehauen waren. Vor allen Hütten brannten kleine Feuer. Vor den steinernen Totenhäusern, links und rechts von den Seelenlöchern, brannten größere Lampen. Die Seelen der Toten sollten eine gute Sicht haben.
Männer und männliche Kinder legten vor die Seelenlöcher der Totenhäuser kleine Gaben, Schmuck und Nahrung. Daran konnten sich die Seelen der Verstorbenen weiden.
Auf dem Hang hinter den Langsteinen hatte sich fast die ganze Stadt versammelt. Alle waren sie gekommen, um das Schauspiel zu genießen. Es versprach, ein spannender Wettstreit zu werden. Es war ein Vorgeschmack auf die kommenden Spiele, bei denen die Ränge der Priesterinnen und das Amt der Hohepriesterin vergeben wurde. Aber die Entscheidung würde heute vorweggenommen, denn die Hohepriesterin selbst und ihre schärfste Konkurrentin standen einander gegenüber.
Alle waren gekommen - nur die Bewohner des Gettos waren ausgeschlossen. Sie mußten sich erst noch beim Feuerlaufen bewähren. Einzig Arbir, der Lieblingsmann Zoras, war eingeladen worden. Der Ehrenplatz, der für Hermon reserviert war, war aber leer.
Links vom Steinkreis wurde längst schon die Feuerstraße angeheizt. Jungfrauen und solche, die unter dem Feenstein zur Frau geworden waren, schütteten Tieröle in die Flammen, bliesen mit geröteten Bakken durch die seitlichen Luftlöcher, um das Feuer anzuheizen, schürten es mit angekohlten Tierknochen. Dann legten sie spitze Steine auf den Rost, einen Stein neben den anderen, bis die ganze Feuerstraße mit scharfkantigen Steinen belegt war. Und sie schürten weiterhin das Feuer, gossen Öl in die Flammen, damit sich die Steine nur ja rasch erhitzten.
Um die Temperatur der Steine zu prüfen, wurde Wasser über sie gesprengt, und die Jungfrauen quietschten vergnügt, wenn das Wasser zischend verdampfte.
Dann und wann trippelte eine übermütige Tempeldienerin quer über die Feuerstraße und zeigte ihren Verehrern voll Stolz die nackten Fußsohlen - wenn sie nicht angesengt waren.
Die Muttersau stand mit stoischer Ruhe da. Die Beine gespreizt und steif wie zu Anfang. Sie gab keinen Laut von sich.
Die Musik wurde lauter. Tempeldienerinnen tanzten über den Platz.
Jetzt erschien Zora. Zora - uralt, aber ungebeugt. Ihr Gesicht war faltig und knochig, aber sie hatte die Augen eines Falken. Zora - hoheitsvoll, majestätisch - betrachtete die steif dastehende Muttersau. Ihr Kennerblick streifte die geschwol lenen Zitzen. In ihnen war gut und gern so viel Milch, wie sie in Schalen füllen und dort auch halten mußte.
Zora fühlte sich stark genug für diese Aufgabe. Vielleicht würde sie schon diesmal diese eingebildete und hochnäsige Dahut schlagen. Zora mußte sie schlagen, denn es stand viel auf dem Spiel.
Die greise
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