0931 - Bauchtanz mit dem Tod
Spannung lösten sich aus ihren Gesichtern. Ohne daß sie sich zuvor abgesprochen hatten, fielen sich die beiden in die Arme.
Diesen Moment brauchten sie einfach, er war ein Aufputschmittel für ihre Seele. Der erste Erfolg nach der verfluchten Zeit ihrer Gefangenschaft.
Sie hatten es so gut wie geschafft.
Als sie sich voneinander lösten und sich dabei anschauten, da sahen sie die Tränen der Erleichterung, die ihnen aus den Augen rannen und die Wangen genäßt hatten. Es war geschafft, es war vollbracht, es war einfach wunderbar.
Im Hintergrund des Kais malte sich die Kulisse des Hafens nur schwach ab. Die nur wenigen Lichter schafften es nicht, das Panorama zu erhellen. Düsternis herrschte vor, aber das war den beiden Frauen egal.
Jenseits der Hafenzone, aber noch unmittelbar in ihrer Nähe, gab es die ersten Lokale, die auch in der späten Nacht noch offen hatten. Daß sie eines von ihnen mit einer ungewöhnlichen Kleidung betreten würden, war ihnen egal. Es ging nach wie vor um ihr Leben.
Wilma konnte nicht anders. Sie mußte sich noch einmal umdrehen und hoch zum Schiff schauen. Sie wollte die Hand zur Faust ballen und dem verfluchten Schiff den Arm entgegenstrecken, doch das gelang ihr nicht mehr. Plötzlich war nämlich alles anders. Janina, die neben Wilma stand, erstarrte ebenfalls.
Beide sahen sie dasselbe Bild.
Auf dem Deck, mehr zum Bug hin und auf dem Rand der Reling stehend, zeichnete sich eine Figur ab wie ein makabrer Scherenschnitt.
Es war Abdul Akam!
***
Mit unserem plötzlichen Erscheinen hatten Leila und der Mann nicht gerechnet. Sie waren so überrascht, daß sich keiner von ihnen rührte.
Beide sahen aus wie menschliche Statuen. Sogar das Atmen schienen sie vergessen zu haben.
Auch jetzt ließen wir die Waffen stecken, da wir die Lage nicht unnötig verschärfen wollten. Ich stand in der Nähe des Mannes, Suko behielt die Frau im Auge.
Gesagt werden mußte etwas, und so machte ich den Anfang. »Polizei!« sagte ich nur.
Leila reagierte. Ob wir persönlich für den Schock gesorgt hatten oder das Wort Polizei, wir erfuhren es nicht, aber wir bekamen die Reaktion optisch und akustisch mit.
Die Schale mit dem Blut rutschte ihr aus den Händen und zerbrach auf dem Boden. Das Blut spritzte hoch, bevor es sich auf dem Boden als dunkle Lache verteilte. Einige Tropfen hatten den Weg bis zu Suko gefunden und klebten an seinen Hosenbeinen. Stärker gesprenkelt war der Körper der Frau und ihr Gesicht.
Leila bewegte sich auch weiterhin nicht. Sie schaute uns nicht an. Ihr Blick galt einzig und allein dem ihr gegenüberhockenden Rasputin-Verschnitt, der sich zum erstenmal rührte und den Kopf schüttelte, bevor er sprach. »Was wollt ihr denn?«
»Wir mögen es nun mal nicht, wenn sich jemand als Vampir aufspielt und Blut trinkt.«
Er blickte zu mir hoch. Seine Augen glitzerten, als lägen die Pupillen in Eiswasser. »Ihr seid wahnsinnig! Ja, wahnsinnig! Was erlaubt ihr euch denn? Was nehmt ihr euch heraus? Verdammt noch mal, das ist doch nicht zu glauben! Da kommen zwei Bullen und…«
»Reißen Sie sich zusammen«, sagte ich. »Außerdem hätte ich gern Ihren Namen erfahren.«
»Ich bin Waldo!«
»Aha und weiter?«
»Nur Waldo!«
»Und Sie wollen zu einem Vampir werden?«
»Das begreift ihr nicht.«
»Vielleicht doch, wenn Sie reden. Jedenfalls steht fest, daß wir Sie mitnehmen werden, daß Leila nicht die einzige ist, die zu Ihnen gehört. Sie haben eine Vereinigung gegründet, die den Interessen der normalen Menschen und auch denen des Staates entgegensteht. Bluttrinkende Menschen sind kaum zu akzeptieren.«
Obwohl er saß, wirkte er so, als wollte er sich aufbauschen. »Was wißt ihr denn schon? Ihr seid Ignoranten. Ihr könnt die Macht des Blutes nicht einschätzen.«
»O doch, das können wir, Meister. Wir werden uns sicherlich noch gut unterhalten. Jedenfalls ist die Sache hier für Sie erledigt, Waldo. Wir haben Grund zu der Annahme, daß Sie Menschen gegen ihren eigenen Willen in Ihren Zirkel integrieren wollen, und so etwas wie ein Nachfolger Vlad Draculas werden wollen.«
»Stimmt, Polizist, auch er trank Blut.«
»Er badete sogar darin.«
»Sehr gut, Polizist, sehr gut.« Waldo sprach mich zwar an, schaute dabei aber woanders hin. Sein Gesicht war auf eines der Fenster gerichtet, doch er sah bestimmt nichts, denn er schien in seine eigene Welt versunken zu sein. »Die Macht des Blutes ist wie ein Rausch!« erklärte er. »Ich habe es genossen. Ich habe danach
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