0931 - Bauchtanz mit dem Tod
Schicksal hielt immer wieder Überraschungen parat, und eine wie diese hier war sicherlich nicht die schlimmste, obwohl die beiden sicherlich einiges hinter sich hatten und tatsächlich wie geflohene Gefangene wirkten.
Er warf einen Blick nach links. Dort saß die Blonde. Die Hände bedeckten nicht mehr das Gesicht. Sie lagen flach auf den Oberschenkeln, aber die Augen der Frau waren geschlossen. Das volle Haar umschmeichelte den Kopf wie eine blonde Mähne, wobei einige Strähnen auf der Haut klebten. Sie hatte ein nettes Gesicht mit einem leicht vorspringenden Kinn, weichen Lippen und einer geraden Nase.
Was mochte man ihr und ihrer Freundin angetan haben.
Bertus war natürlich neugierig, hielt sich aber mit seinen Fragen zurück.
Die beiden sollten zur Ruhe kommen. Außerdem mußte er sich auf die Fahrerei konzentrieren.
Das große Schiff an der rechten Seite hatte er beinahe passiert. Der Lichtkegel lag flach auf dem Boden, so daß der Fahrer eine sehr gute Übersicht bekam. Jede Kurve, jedes Hindernis entdeckte er früh genug, aber er sah auch die Gestalt, die plötzlich von der rechten Seite her kommend, in den Lichtschein hineinlief. Noch eine Frau? Nein, bestimmt nicht. Bertus war so überrascht, daß er den Motor abwürgte. Er riß die Arme in die Höhe, als wollte er sich irgendwo festhalten, aber das hätte auch nichts gebracht oder die Gestalt zurückgetrieben, die vor ihm aufgetaucht war.
Ein Spuk. Etwas, das aus der Geisterbahn entlassen zu sein schien, denn im grellen Licht stand ein Skelett. Neben ihm schrie Wilma auf.
***
Ich hatte den Knochenmann noch einige Sekunden beobachtet, dann hatte er die Reling verlassen und war wieder zurück auf das Deck und in die Schatten gesprungen, wo es für mich nicht mehr sichtbar war. Die knappe Zeitspanne jedoch hatte ausgereicht, und ich wußte, daß ich mich nicht getäuscht hatte.
Abrupt drehte ich mich um.
»Du hast es gesehen?« fragte Suko.
»Ja, ein Skelett.«
»Richtig. Eines, das sich bewegen kann. Und es kam mir auch nicht ferngelenkt vor, als wollte sich jemand einen üblen Scherz erlauben.«
Waldo mischte sich ein. »Es ist das Böse«, sagte er. »Das herrliche Böse. Ich habe es längst gespürt.«
»Hast du es auch gesehen?« fuhr Suko ihn an.
»Nein.«
»Und du, Leila?«
Sie antwortete nicht.
Was immer da draußen auch vor sich gehen mußte, unser Platz in diesem Speicherhaus war nicht der beste. Wir mußten so schnell wie möglich raus, um mehr über das Skelett in Erfahrung bringen zu können.
»Lösch die Flamme!« wies ich Waldo an.
»Warum?«
»Weil wir hier weggehen.«
Er lachte nur. Dann hob er eine Metallplatte auf und legte sie auf das Gefäß. Die Flamme erstickte. »Zufrieden?«
»Ja, und jetzt raus!«
Wir ließen sie vorgehen. Leila mußte den Anfang machen. Sie hielt den Kopf gesenkt und schritt daher wie eine Büßerin, die etwas Schreckliches vor sich hatte.
Waldo lächelte nur. Hoch aufgerichtet ging er an uns vorbei. In seinem Bart sah ich einige Blutspritzer. Sicherlich hatte er seinen Trank schon zu sich genommen.
Das Treppenhaus war schmal, die Stufen ziemlich hoch.
Leila behielt die Führung bei. Sie bestimmte das Tempo. Ich ging dicht hinter Waldo, der sich anscheinend wohl fühlte, denn er summte eine Melodie vor sich hin.
Natürlich dachte ich über das Skelett nach und auch darüber, daß Suko und ich schon in früheren Jahren gegen lebende Skelette gekämpft hatten. In der letzten Zeit waren uns keine mehr über den Weg gelaufen.
Hatte sich das nun geändert?
Ich konnte nicht sagen, ob dieses Skelett unter einem magischen Einfluß stand oder ob sich jemand mit ihm einen Scherz erlaubt hatte, wobei er es fernlenkte, um Menschen zu erschrecken. So etwas gab es. Da brauchte man nur in die Vergnügungsparks zu gehen und dort mit den Geisterbahnen oder Fantasy-Zügen zu fahren und sich so in die Welt des Grauens transportieren zu lassen.
Waldo hatte es als böse erkannt, und er war froh darüber gewesen. Oder sollte er dahinterstecken?
Möglich war alles. Wichtig aber war hur, daß wir uns den Knöchernen aus der Nähe anschauten, um feststellen zu können, wer denn nun recht hatte.
Leilas Gedanken bewegten sich in anderen Bahnen, und sie sprach sie aus. »Ich bekomme doch noch mein Blut, nicht?«
»Ja, das kriegst du. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Du hast es dir verdient…«
Suko und ich gaben keine Antwort. Wir ließen solche Typen wie Waldo reden, alles andere hatte
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