0931 - Bauchtanz mit dem Tod
keinen Sinn. Er war unbelehrbar. Es lohnte sich nicht, mit ihm eine Diskussion anzufangen.
Damit niemand im Dunkeln die Stufen hinabsteigen mußte, hatten Suko und ich die Lampen eingeschaltet. Die schmalen Lichtlanzen reichten aus, um abgebrochene Kanten und Ecken sowie andere Fallen entdecken zu können.
Besser ging es uns, als wir das Speicherhaus verlassen hatten und die kühle Nachtluft einatmeten.
Waldo grinst uns an. Er hatte einen Arm um Leilas Schulter gelegt, die wiederum ihren Kopf gegen seinen Hals drückte. »Jetzt wollt ihr es finden, nicht wahr?« flüsterte er uns zu. »Ihr wollt es finden und es euch anschauen.«
»Weißt du, wo es ist?« fragte Suko.
»Frei!« gab Waldo ebenso leise zurück. »Es ist frei. Es war auf dem Schiff.« Er hob seinen Arm an. »Aber ob es sich dort noch aufhält, wer kann das sagen?«
»Wir werden es feststellen, und ihr werdet dabeisein. Los, geht vor!«
»Wohin denn?«
»In die Nähe des Schiffes. Dort haben wir das Skelett doch gesehen oder nicht?«
Waldo lächelte. Er ließ seine Freundin nicht los, und sie gingen wie ein Liebespaar.
Wir schlossen uns den beiden an. »Was gefällt dir nicht?« fragte Suko, als er sah, wie ich den Kopf schüttelte. »So einiges nicht.«
»Woran liegt es?«
»Keine Ahnung, Suko. Ich weiß es einfach nicht. Ich bin etwas durcheinander. Wir sind gekommen, um uns irgendwelche verrückten Typen anzuschauen, die wir auch gesehen haben. Aber was entdeckten wir außer diesen beiden Spinnern? Ein lebendes Skelett, wie es so aussieht. Hat uns das Schicksal einen Streich gespielt oder uns auf eine neue Spur geführt?«
»Ich plädiere für die letztere Möglichkeit.«
»Mal sehen.«
Wir gingen zwar weiter, aber wir hörten nichts. Das Skelett, sollte es denn das Schiff verlassen haben, verhielt sich ruhig. Überhaupt war so gut wie kein Laut zu hören. Die Nacht hatte die Decke der Stille über diese Hafengegend ausgebreitet. Da glatte Gegenteil zu der betriebsamen Hektik des Tages.
So gingen wir weiter. Der Weg war zwar nicht weit, aber leider versperrt.
Wir mußten erst einige Gebäude umrunden, um das Ziel auf dem breiten Kai zu erreichen.
Bevor wir noch freie Sicht bekamen, hörten wir ein ungewöhnliches Geräusch.
Es klang dumpf und zugleich wiederum hell und schallend. Zu identifizieren war es nicht sofort, aber es kam mir vor, als würde jemand auf etwas eindreschen.
Warum? Wurde gearbeitet?
Das konnte ich nicht glauben, und deshalb ging ich auch schneller.
Waldo und Leila wollten zurückbleiben, ich aber packte mir den Mann und zerrte ihn mit.
»He, was soll das?«
»Wir werden uns den Knochenmann mal aus der Nähe anschauen.«
Waldo lachte zischend. »Er wird dich killen, Bulle. Er wird dich radikal fertigmachen.«
»Weißt du mehr?«
Er schaute mich für einen Augenblick von der Seite her an. »Nein, ich weiß es nicht, aber ich spüre es, ich spüre es genau.«
Er erhielt keine Antwort. Auch Suko und Leila sprachen nicht miteinander, aber wir alle hörten die Echos…
***
Wilma schrie nicht mehr. Sie hatte sich wieder beruhigt und den ersten Schrei ziemlich kurz gehalten. Jetzt saß sie auf ihrem Platz und starrte durch die Scheibe, denn das Skelett hatte sich direkt vor dem Fahrzeug aufgebaut, den knochigen Oberkörper nach vorn gedrückt und die beiden Klauenhände auf die Motorhaube gelegt. Das Licht erfaßte das Monstrum nicht, es strahlte an ihm vorbei, und doch war es in der Dunkelheit gut zu erkennen, was auch an seinen zumeist hellen Knochen lag, bei denen die grauen Flecken kaum auffielen.
Auf dem Gerippe saß der Totenschädel. Ein widerlicher, haarloser und auch hautloser Kopf mit großen Augenhöhlen, einer breiten Stirnplatte, einer zerstörten Nase, einem offenen Maul, das an beiden Rändern gespalten und eingerissen war. Obwohl in den Höhlen keine Augen auszumachen waren, hatte Joachim Bertus den Eindruck, als würde ihn dieses schreckliche Skelett beobachten.
Er sagte nichts. Er konnte nichts sagen. Er wußte aber, auch ohne daß er sich bei den Frauen erkundigt hatte, daß dies kein Spaß war. Kein Trick, keine Verarschung wie auf der Geisterbahn, dieses Ding war echt.
Wahrscheinlich waren die Frauen auch vor diesem Monstrum geflohen und nicht vor irgendeinem Kerl, der sie hatte vergewaltigen wollen, wie er zuvor angenommen hatte.
Sie saßen im Auto, das Skelett stand draußen. Aber waren sie wirklich vor ihm geschützt? Würde das Blech halten? Bestimmt oder möglicherweise, aber das
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