0931 - Bauchtanz mit dem Tod
Glas der Fenster nicht. Mit der Knochenhand würde es zertrümmert werden, ohne daß dem Unhold dabei etwas geschah.
Auf dem Rücksitz hatte sich Janina zusammengedrückt. Sie wimmerte leise, und auch Wilma hatte ihre Sprache zurückgefunden. »Es ist unser Schicksal, es hat uns verfolgt, es hat uns gefunden. Der verfluchte Abdul Akam ist schlimmer als ein Teufel.«
»Wer?« flüsterte Bertus.
Wilma wiederholte den Namen.
»Den kenne ich nicht.«
»Er heißt aber so.«
»Du meinst das Skelett?«
»Ja.«
»Woher weißt du das?«
»Es war nicht immer ein Skelett«, flüsterte Wilma. »Es hat auch schon anders ausgesehen.«
»Ja und?«
»Nichts, wir - wir - meine Güte, laß es doch. Es ist zu kompliziert, dir das zu erklären. Wir wissen nur, daß es uns töten will. Da du bei uns bist, wird es auch dich umbringen. Es tut uns leid, aber das haben wir nicht gewußt.«
»Noch leben wir«, sagte der Mann.
Wilma lachte nur.
»Kannst du nicht fahren?« meldete sich Janina vom Rücksitz. »Fahr einfach an, das ist besser. Ramm das Ding in den Boden. Ich will hören, wie die Knochen knacken.«
Joachim Bertus nickte. »Wird wohl am besten sein«, murmelte er. Er stand nicht hinter dem, was er sagte. Er kam sich überhaupt vor wie aus dem normalen Leben weggelöst. Was er sah, konnte einfach nicht wahr sein, denn so etwas paßte nicht in die normale Welt hinein, sondern mehr in einen Alptraum.
Wilma stieß ihn an. »Mach es!«
Er nickte.
Da bewegte sich auch das Skelett. Es sah aus, als hätte es nur darauf gewartet. Mit einer ruckartigen Bewegung hob es beide Knochenarme an, und zumindest die beiden vorn Sitzenden schauten zu, wie es die Hände zu Fäusten ballte. Es blieb nicht dabei, denn es fing damit an, die Knochenklauen nach unten zu schlagen, wobei es auf dem Blech der Motorhaube einen wilden Trommelwirbel hinterließ.
Sie hörten zu. Sie schauten zu. Sie sahen die hektischen und heftigen Bewegungen der bleichen Arme. Das Skelett schien sich in einem wahren Rausch zu befinden. Es ließ sich durch nichts ablenken, es wollte die Menschen, aber es wollte ihnen auch klarmachen, wer der Herr im Haus war.
Das Blech bog und beulte sich unter den Schlägen. Sie waren zudem so heftig geführt worden, daß der gesamte Wagen erzitterte und das leise Schreien des Mannes in ein stotternd klingendes Wimmern überging.
Keiner von ihnen hatte einen Vorschlag. Niemand wußte, was sie unternehmen sollten.
Nach draußen konnten sie nicht. Da lauerte der Knochenmann. Im Wagen bleiben war auf die Dauer auch nicht drin…
»Fahr doch!« brüllte Janina mit einer Stimme, die schon überkippte.
»Verdammt, starte den Wagen!«
Die Worte hatten sich in Joachims Ohren regelrecht hineingebohrt. Er konnte nur nicken, sprechen nicht mehr, und er brachte seine linke Zitterhand in die Nähe des Zündschlüssels. Er schwitzte wie unter einer heißen Sonne, seine Augen stierten nach vorn, dann spürte er das kühle Metall des Schlüssels in seiner Hand.
Er drehte ihn herum.
Der Motor ließ ihn nicht im Stich. Das Geräusch war die reinste Musik in seinen Ohren.
Jetzt brauchte er nur noch…
Nein, er kam nicht dazu.
Plötzlich warf sich das Skelett nach vorn. Es rutschte über die Motorhaube hinweg. Wilma und Joachim, die vorn saßen, bekamen es überdeutlich mit, beinahe wie in einem Zeitlupentempo, und sie nahmen auch den Moment wahr, in dem beide Knochenklauen die Windschutzscheibe einschlugen.
Für eine winzige Zeitspanne sah die aus wie ein undurchsichtiger Vorhang, dann fegten erste Splitter in den Wagen und wirbelten den vorn Sitzenden entgegen.
Doch nicht nur sie schlugen gegen ihre Körper, auch die Knochenfäuste und der erste, heiße, böse Luftzug…
***
Ich ärgerte mich darüber, daß wir durch das relativ langsame Gehen zuviel Zeit verloren hatten. Die mußten wir jetzt aufholen. Zum Glück wies uns das Echo der Schläge den Weg, und die beiden Bluttrinker waren für uns uninteressant geworden. Jetzt ging es darum, das verdammte Skelett zu stellen, denn diese dröhnenden Geräusche standen sicherlich mit ihm in einem Zusammenhang.
Wir beeilten uns. Mit langen Schritten hetzten wir über den Kai und hatten auch das helle Licht entdeckt, das nicht uns entgegenstrahlte, sondern in die andere Richtung wies.
Wir selbst schauten gegen das Heck eines dunklen Wagens, dessen Scheinwerfer eingeschaltet waren. Der Helligkeit nach zu urteilen, brannte sogar das Fernlicht.
Ich jagte neben Suko her. Wir kamen näher
Weitere Kostenlose Bücher