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0932 - Das 14. Siegel

0932 - Das 14. Siegel

Titel: 0932 - Das 14. Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Eindringling noch nie gesehen - und sie war dankbar dafür. Er besaß bleiche Haut und schulterlanges, speckiges Haar. Statt einer Nase, die ihm nach einer Krankheit abgefault sein musste, verunzierten zwei senkrechte Schlitze das Gesicht. Sie pumpten, öffneten und schlossen sich und erinnerten Kathryne an die Kiemen eines Fischs auf dem Trocknen. Außerdem war er blind, musste blind sein, denn gelbliche Haut überwuchs seine Augenhöhlen.
    »Was für ein schöner Herbstabend!« Seine heisere Stimme knirschte wie Kies.
    Griselda trat vor den Kessel und schob Kathryne mit einer schützenden Armbewegung hinter sich. »Wer seid Ihr und was wollt Ihr?«
    »Mein Name ist Krychnak. Ich habe gehört, du bist eine Hexe, Griselda.«
    Kathryne blickte über die Schulter ihrer Mutter hinweg auf den Besucher. Auch wenn er keine Augen besaß, schien er die Frauen doch eingehend zu betrachten. Es fühlte sich an, als befähigten seine Unaugen ihn dazu, Kathryne nicht nur anzusehen, sondern sogar durch sie hindurch. Ein kalter Schauder lief ihr über die Arme und den Rücken.
    »Keine Antwort, weiße Hexe? Nun, sei's drum. Ich werde in Kürze einen großen Zauber durchführen. Weil viel von ihm abhängt, möchte ich ihn zunächst ausprobieren. Dabei kannst du mir helfen.«
    »Ich weiß nicht, woher Ihr kommt und wer Ihr seid. Deshalb lautet die Antwort nein.«
    »Tatsächlich? Du müsstest gar nicht viel tun! Nur mir deine Tochter übergeben. Kathryne, nicht wahr?«
    Nein! Hatte sie das wirklich gehört? Kathrynes Herz begann wild zu schlagen und ein sinnloser Gedanke raste ihr durch den Kopf. Nicht so hastig pochen, sonst wird die Seele bitter.
    Sie spürte, wie sich die Muskeln ihrer Mutter anspannten. »Was soll das? Seid Ihr des Wahnsinns? Verschwindet von hier und zwar sofort.«
    »Nicht ohne deine Tochter!«
    Kathryne war wie vor den Kopf geschlagen und sie verlor den Halt in der Wirklichkeit. Das geschah nicht tatsächlich! Das musste ein Traum sein!
    Und doch war es grausame Realität!
    Krychnak machte eine weit ausholende Armbewegung. Plötzlich flog Griselda durch die Luft wie eine Puppe aus Stofffetzen und knallte auf einen Schemel, der unter der Aufprallwucht zerbrach.
    »Nein! Mutter!« Kathryne wollte zu ihr laufen, doch sie war zu keiner Bewegung fähig. Lähmte sie die Angst oder war es Krychnaks Magie, die sie an Ort und Stelle bannte? »Bitte tu ihr nichts! Bitte nicht.« Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Dazu ist es nun zu spät, kleine Kathryne.« An die Aufrichtigkeit von Krychnaks bedauerndem Tonfall glaubte sie genauso wenig wie an die Wirksamkeit eines Liebestranks. Mit schmerzhafter Klarheit wusste sie auf einmal, dass sie keinen verunstalteten Menschen vor sich hatte, sondern einen Dämon.
    Nach einer weiteren Handbewegung Krychnaks klappte Griseldas steifer Körper hoch wie ein Ast, auf den man getreten war. In ihren Zügen lag nackte Angst, doch Kathryne erkannte, dass die nicht Griseldas Leben galt, sondern dem von Kathryne. Der Augenlose ließ seinen Zeigefinger einmal kreisen und schon vollzog Griseldas Kopf die Bewegung nach. Mit einem Ruck drehte er sich auf den Rücken. Das Geräusch des brechenden Genicks ging in Kathrynes Schluchzen unter. Nur einen Wimpernschlag später schnellte der Kopf zurück in seine Ausgangsposition und Griseldas Leiche stürzte zu Boden.
    In diesem Augenblick wich auch Kathrynes Lähmung. Mit tränenverschmiertem Gesicht sank sie auf die Knie. Wie ein Kleinkind brabbelte sie sinnlose Laute, immer wieder unterbrochen von tiefem Schluchzen.
    »Nun zu dir, kleine Kathryne«, knirschte Krychnak. Gemessenen Schrittes kam er auf sie zu.
    Sie schloss die Augen. In den letzten Minuten ihres Lebens wollte sie nicht den Mörder ihrer Mutter sehen müssen. Das Schluchzen versandete, wurde zu einem leisen Wimmern und verstummte schließlich ganz. Sie war bereit.
    Da spürte sie, wie sich Krychnaks Hände um ihren Hals legten. Sie drückten zu, schnürten ihr die Kehle ab. Sie hörte noch Krychnak Stimme: »Jetzt gehörst du mir!« Dann wurde ihr die Luft knapp und…
     
    ... sie wurden fortgetragen von der Insel der Ruhe. Sofort kehrte der Schmerz zurück, erfüllte jede Pore ihres Körpers. Sie glaubten selbst, Krychnaks Hand am Hals zu spüren. Die Atemnot, die Panik, die Qualen. Einen Augenblick später ...
     
    ... saß Anka auf einem dunkelroten Sofa.
    »Was gibt es denn so Wichtiges?« Die Stimme des blonden Mannes neben ihr klang sanft und liebevoll. Das Licht der

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