0932 - Das 14. Siegel
hätte es wohl auch schon getan, wenn er nur gewusst hätte, was! »Vielleicht könnt ihr ja zusammen mit Zamorra etwas erreichen.«
»Nein. William hat gesagt, er habe das Château verlassen.«
»Ach, du dickes Ei!«, ließ in diesem Augenblick Dylan vernehmen.
Monica und Uschi sahen ihn an. »Was ist denn?«
»Dass ich Trottel das nicht eher geschnallt habe! Ihr heißt Peters?«
»Ja, und?«
Zum erkennbaren Unwillen von Rhett gab Dylan Teile seiner Lebensgeschichte von sich: dass er jahrelang den Spuren geheimnisvoller Ereignisse gefolgt war, dass er deshalb bei seinen Freunden als Dämonentourist verschrien war und dass er auf Anka und dadurch auf Zamorra nur gestoßen war, weil er bei Llewellyn-Castle den Gerüchten um dessen Bewohner nachgehen wollte: Julian Peters. [2] »Das ist euer Bruder, stimmt's?«
Nun musste Rhett trotz seiner Ungeduld kichern. »Knapp daneben, Alter. Julian ist Uschis Sohn.«
»Uschis - Sohn?« Dylan tastete die Zwillinge mit seinem Blick ab. »Aber ihr seid ungefähr in meinem Alter. Das kann überhaupt nicht… Oh! Ihr zählt auch zu diesen Unsterblichen! Gehört das in Zamorras Bekanntenkreis zum guten Ton?«
Die Schwestern lächelten vielsagend.
»Lasst mich raten«, fuhr Dylan fort. »Ihr habt auch ein Schlückchen von der Quelle des Lebens gesüffelt. So wie der Professor.«
»So ähnlich. Vor gut 25 Jahren hat uns im schottischen Hochmoor der legendenumwobenen Laird u'Coulluigh Mac Abros, der 17. Earl of Glenstairs, der angeblich an zwei Orten zugleich sein kann, etwas von seinem schwarzgebrannten Whisky angeboten. Wie sich herausstellte, war es getarntes Lebenswasser.«
Dylan zog die Augenbrauen zusammen und musterte die Schwestern eingehend. Beinahe konnte man den Eindruck gewinnen, als bekäme er von dem Anblick nicht genug. »Schon klar! Und die Wahrheit?«
Das Lächeln auf den Gesichtern der Zwillinge erlosch. »Wie meinst du das?«
»Na hört mal! Für wie blöd haltet ihr mich denn? Das klingt nach den Ausflüchten eines Schriftstellers, der vergessen hat, seine Figuren altern zu lassen und sich deshalb eine nicht nachprüfbare Geschichte dafür ausdenkt.« Er grinste sie an. »Ich habe eine umfangreiche Romansammlung zu Hause! Darunter auch einige sehr gute Romanserien aus Deutschland. Mac Abros, der an zwei Orten zugleich sein kann? Macabros? Ja? Kommt mir irgendwie bekannt vor.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle er seine Beweisführung abschließen: »Ihr stammt doch aus Deutschland, oder?«
Rhett enthob die Zwillinge der Verpflichtung zu einer Antwort. »Können wir vielleicht jetzt endlich mal das voll seichte Gelaber lassen? Wir sollten uns lieber um Anka kümmern!«
Uschi und Monica tauschten einen erleichterten Blick. Allzu lange hielt der aber nicht, denn Ankas Schmerzwimmern nahm wieder zu. Sie unterdrückten ein Stöhnen und pressten die Handballen gegen die Augen.
»Du hast recht«, sagte Monica, als die Welle ein wenig abebbte. »Wir müssen etwas unternehmen. Sonst gehen wir selbst vor die Hunde. Aber was?«
»Ich weiß nicht, ob es etwas bringt. Vielleicht ist es auch zu riskant.« Uschi machte eine kurze Pause. Konnte sie diesen Vorschlag wirklich machen? War die Gefahr nicht zu groß? »Wir könnten unseren Geist öffnen und uns - ihrer Qual stellen. Auch wenn ihr das nicht hilft, wüssten wir danach womöglich wenigstens, warum sie so leidet!«
Der Erbfolger nickte eifrig. »Würdet ihr das machen? Das wäre echt cool!«
Sie stellten zwei Stühle vor das Bett, auf die sich die Zwillinge setzten. Dylan ließ sich in seinen Sessel nieder und auch Rhett nahm seinen alten Platz ein.
Dann griffen sich die Schwestern bei den Händen. Noch einmal atmeten sie tief durch. »Okay, los geht's!«
Sie schlossen die Augen und…
... und wurden mitgerissen. In einen Strudel aus Gefühlen und Bildern. Überall lag Schmerz. Körperlicher, aber auch geistiger Schmerz. Wie eine Flipperkugel schossen sie hin und her, durch Zeiten, durch Erinnerungen. Zu schnell, zu kurz, um etwas zu erkennen. Doch dann gelangten sie auf eine Insel der Ruhe und ...
... und Anka saß auf einer schwarzen Ledercouch in Llewellyn-Castle. Sie schmökerte in Der seltsame Fall des Dr. Jekyll & Mr. Hyde von Robert Louis Stevensen, als ein schweres Pochen durch das Schloss hallte. Sie zuckte zusammen. Das Herz hämmerte ihr bis in die Ohren und klang beinahe lauter als das Klopfen eben. Das Pochen erklang erneut und ...
... und sie wurden
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