0932 - Grausame Zeit
zerplatzten.
Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück und zugleich zu einem neuen Ziel hin, zu dem er lieber mit dem Auto gefahren wäre, was er sich aus Gründen der Sicherheit allerdings nicht leisten konnte. Er durfte keine Spuren hinterlassen.
Es wurde ein langer Weg durch den Abend, den Regen und auch durch die Dunkelheit. Als er schließlich die Lichter der kleinen Ortschaft sah, die für ihn interessant war, atmete er auf. Es war auch nicht mehr so weit, und er ging schneller, wobei er hoffte, daß sich in dem Industriegebiet in den letzten acht Jahren nicht viel verändert hatte.
Sein Ziel lag abseits. Um Energie zu sparen, hatten die Verantwortlichen in dem Industriegelände nur wenige Laternen aufgestellt, die im Regen wie ferne, blasse Sonnen leuchteten. Zudem sahen sie durch die Wolken aus, als hätten sie noch wabrige Vorhöfe bekommen.
Bisher war es still gewesen. Aber aus dem Industriegebiet, wo Echos gegen die nackten Außenwände der Hallen fielen, klangen Geräusche an seine Ohren, die er ebenfalls nicht vergessen hatte. Als Kind hatte er mal ein Moped gestohlen und war damit über die Felder gerast. Der Sound dieser Motoren erweckte in ihm Erinnerungen. Er sah sich wieder in seinem Elternhaus, und auch die scharfen Augen seiner Mutter erschienen, bevor sie von denen der Tante abgelöst wurden, die ebenfalls bei der Mutter wohnte, denn sein Vater war schon sehr früh gestorben. Die Massen eines Steinbruchs hatten ihn begraben, und die beiden Frauen hatten sich um seine Erziehung gekümmert und ihm stets erklärt, wie schlecht die anderen Menschen doch waren, daß nur der Glaube an die Heiligen das wahre Glück brachte und die Menschen auf den rechten Weg führte.
Er spie aus.
Er haßte alle Heiligen.
Er haßte auch seine Mutter.
Er haßte seine Tante.
Er wußte nicht mal, ob sie noch lebten und durch diese Welt strichen.
Anders als die beiden Fahrer der Mopeds, denn diese Geräusche waren nicht zu überhören. Buzea preßte die Lippen zusammen. Er mochte nicht mehr an seine Kindheit und Jugend erinnert werden, nur an die spätere Zeit, wo er sich seine Freunde geholt hatte. Die Kinder, die man ihm früher vorenthalten hatte.
Wären die beiden auf ihn zugefahren, er hätte sich ihnen in den Weg gestellt, die Helme von den Schädeln gerissen und ihre Köpfe zusammengeschlagen.
Er sah sie nicht. Er sah nicht mal die huschenden Lichter der Scheinwerfer. Nur die Geräusche waren zu hören, und er konnte auch den Regen sehen, den der Wind vor sich hertrieb.
Alfons Buzea hatte es aufgegeben, die Nässe aus dem Gesicht zu wischen. Sie kehrte sowieso immer wieder zurück, und so ließ er es von seinem Gesicht tropfen, was ihm völlig egal war.
Er sah die ersten Schatten der Fertigbauten. Neue Hallen, die vor acht Jahren hier noch nicht gestanden hatten. Er ging an ihnen vorbei und kam sich ziemlich klein vor. Die Besitzer der Hallen hatten ihre Namen mit großen Buchstaben angebracht, aber die Dunkelheit verschluckte alles, und das Licht der Lampen reichte kaum bis dorthin.
Dann sah er die Mopeds. Sie heulten auf, als er eine Halle umrundet hatte. Vor ihm lag eine gerade Straße, eine Sackgasse, und aus dieser Sackgasse kamen die beiden hervor. Die Scheinwerfer tanzten, zuckten, sie stiegen halbhoch in die Luft und durchbohrten die Dunkelheit mit langen Lanzen.
Buzea sprang nicht auf die Straße. Er blieb stehen, und er ließ die beiden fahren, die hier ein Wettrennen veranstalteten. Er drehte sich nur um, schaute ihnen nach und fing an zu lachen, als er trotz der Feuchtigkeit die Funkenspur entdeckte, die über die Fahrbahn hinweghuschte. Sie war entstanden, weil einer der Fahrer auf der glatten Bahn ins Rutschen geraten war.
Jetzt scheuerte das Metall über den Asphalt und hatte diese helle Spur hinterlassen.
Er lachte noch einmal und zischelte böse: »Das geschieht euch recht, ihr kleinen Arschlöcher. Sehr recht sogar…« Er rieb seine Hände und ging weiter.
Sein Ziel lag weiter vorn. Dort unterhielt die Firma Fischer damals einen Fuhrhof.
Vielleicht auch hoch heute.
Vor dem Tor blieb er stehen. Mit seinem feuchten Ärmel wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht und schaute sich die beiden Griffe an. Es waren noch dieselben wie damals, und seine Freude steigerte sich.
Nichts hatte sich verändert. In Schwaben hielt man eben auf Tradition.
Buzea machte sich daran, das Tor aufzuziehen, das aus zwei Flügeln bestand. Er nahm beide Hände zu Hilfe, stemmte die
Weitere Kostenlose Bücher