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0935 - Aibons klagende Felsen

0935 - Aibons klagende Felsen

Titel: 0935 - Aibons klagende Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nahmen.
    Joanna ging nicht ins Wasser. Sie blieb dicht vor dem hellen Rand der auslaufenden Wellen stehen und konnte jetzt erkennen, was das Wasser aus der Tiefe hervorgeholt und auf den schmalen Uferstreifen zwischen die Felsen geschleudert hatte.
    Knochen - Gebeine. Mal zersplittert, dann wieder heil. Dunkle Knochen, als wären sie mit erdbrauner Farbe bestrichen.
    Sie erschrak nicht und schaute sich die Knochen nur an. Joanna nahm alles sehr gelassen hin. Nicht daß sie sich wohl fühlte oder ihre neue Umgebung begriffen hätte, sie war einfach fatalistisch geworden, glaubte also an die Vorherbestimmung und erinnerte sich daran, daß im Laufe der Geschichte die großen Entdecker zahlreiche Opfer gebracht hatten.
    Die Frau drehte den Kopf nach links. Dort war ihr etwas Blinkendes aufgefallen. Ein Stück Metall oder Glas. Sie ging schnell hin und bückte sich.
    Der Gegenstand klemmte fest, er mußte vom Wasser angespült worden sein. Sie sah einen Griff, auf den sich eine dicke Schicht aus Patina gelegt hatte.
    Er hatte nicht geblinkt, aber Joanna wußte plötzlich, daß sie den Griff hart umfassen und dann ziehen mußte.
    Sie tat es, während hinter ihr die Felsen wieder anfingen zu singen. Es klang, als schickten die Seelen der Toten ihre Klagelieder über das Meer.
    Joanna zerrte heftiger und hatte schließlich Erfolg. Der Gegenstand kam frei.
    Es war ein Schwert!
    Eine schwere Waffe mit einer langen Klinge. Nicht einfach zu halten. Joanna war es nicht gewohnt, mit derartigen Dingen umzugehen, und sie faßte mit beiden Händen zu, um die Waffe in die Höhe zu hieven. Die hatte ihr Gewicht, aber Joanna ließ sie nicht los. Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. Die Augen leuchteten plötzlich, denn sie hatte den Eindruck, daß dieses Schwert für sie bestimmt war. Es war ihr fremd. Trotzdem sah sie es als einen Vertrauten an, und über die Waffe hinweg schaute sie gegen die anrollenden Wellen.
    Dabei durchströmte ein merkwürdiges Gefühl ihren Körper. Es war Wärme und Kälte zugleich, aber auch Kraft. Das Gefühl nahm an Stärke zu, bis es zu einem gewaltigen Strom geworden war, der für diese immense, schon beinahe übermenschliche Kraft sorgte und ihr die Gewißheit gab, dieses Schwert führen zu können.
    Sie lächelte noch immer.
    Es war wunderbar. Sie war zu einem neuen Menschen geworden. Sie hatte genau das Richtige getan. Aibons singende Felsen waren ihr Schicksal, und so wie sie hätte sich auch eine Göttin fühlen können, die in einem Triumphwagen aus Sternenlicht über den unendlichen Himmel fuhr.
    Ein Wunder der Verwandlung!
    Ich bin Joanna Westwood! dachte sie. Aber ich bin zugleich eine andere Person. Ich habe meine erste Hülle abgelegt. Ich werde Aibon und seinen singenden Felsen dienen.
    Sie schwang das Schwert durch die Luft. Dabei lauschte sie den zischenden Geräuschen, und sie schaute danach wieder auf das Wasser, das ihr trotz der Dunkelheit so klar vorkam.
    Wo lag Aibon?
    Im Wasser? Um sie herum? Gehörte alles zu diesem rätselhaften Kontinent? Joanna hoffte es, denn sie hatte dieses Land mittlerweile lieben gelernt. Es würde ihr eine neue Chance geben. Sie würde neue Menschen kennenlernen. Neue Tiere. Eine andere Flora. Das alles war ihr plötzlich bewußt geworden, und sie legte das Schwert auf ihre Schulter.
    Sie war bereit.
    Dann ging sie los.
    Das Singen der Felsen begleitete sie auf ihrem Weg. Und es machte ihr nichts aus, in die Fluten zu steigen. Sie schritt hinein wie jemand, der dort Freunde hatte und erwartet wurde. Sie merkte, wie das Wasser ihre Füße umspielte, und es war überhaupt nicht so kalt, wie sie es zuerst gedacht hatte.
    Angenehm, beinahe lau.
    Die Felsen sangen weiter. Ihr Lied tönte in Joannas Ohren. Sie freute sich auf den neuen Lebensabschnitt, auf die neue Welt, und sie freute sich auf das, was sie jetzt vor sich sah. Zwar noch vom Wasser verdeckt, aber trotzdem zu erkennen.
    Ein Land. Eine Gegend. Eine große Welt. Auch Felsen und Berge. Umspielt vom Wasser oder war es nur eine geheimnisvolle Projektion? Joanna konnte keine Antwort geben. Ihr Denken war blockiert, sie mußte das tun, was sie für richtig hielt.
    Solange die Felsen noch sangen, war alles gut.
    Und so schritt sie weiter in die Wellen hinein…
    ***
    Auch mit dem Frühstück hatte uns Irma Looe überrascht, denn die Spiegeleier waren die besten, die wir seit langen gegessen hatten. Ich aß dazu frisches Landbrot. Die Konfitüre war ebenfalls eine Wucht. Hausgemacht, wie sie uns

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