0936 - Schattentheater
in voller Wucht zu spüren bekam, nur zweitrangig und irrelevant.
Zu Nicoles Erleichterung sprach Minamoto dem Sake wie sie selbst nicht allzu ausgiebig zu und blieb einigermaßen nüchtern. Als er schließlich Ieyasu ein Zeichen machte, dass es Zeit sei, die Gesellschaft zu beenden, reagierte Ieyasu zu Nicoles Erstaunen sofort und schien mit einem Schlag nüchtern zu werden.
Während er eine kleine Ansprache hielt und sich bei seinen beiden Stammgästen, Nicole und Minamoto bedankte, beugte sich Minamoto zu ihr hinüber.
»Madame, ich habe mich gefragt, ob Sie sich vielleicht bereit erklären würden, Tanabe-san nach Hause zu begleiten. Er wohnt nur etwa drei Blocks von hier entfernt. Ich weiß, dass Sie sich damit vielleicht in Gefahr begeben, was Monsieur Landru sicher nicht schätzen würde.«
»Nein, das täte er wohl nicht«, murmelte Nicole, der Standpauke Landrus nach der Geschichte mit Yasmina und Alphonsine eingedenk. Aber es gab für sie keine Frage, sie würde aus Angst vor einer Gardinenpredigt sicher keinen Menschen einer Gefahr aussetzen. Und außerdem bestand ja die Hoffnung, dass sie auf dem Rückweg Tanabe-san nach dem Shinigami ausfragen konnte. Er hatte ordentlich dem Alkohol zugesprochen, vielleicht hatte sie ja Glück und er konnte ihr weiterhelfen? So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe , dachte sie zufrieden. »Ich tue gern, worum Sie mich bitten, Minamoto-san.«
»Ich habe diesen Raum und auch die Herren bereits gesichert«, erwiderte Minamoto-san mit einem Blick auf die Anwesenden leise. »Die anderen wohnen nicht weit voneinander entfernt, und ich werde sie zusammen nach Hause bringen, doch Tanabe-san wohnt allein hier in der Nähe. Aber mir wäre wohler, wenn wir wenigstens wüssten, wenn nach diesem Abend keiner allein wäre. Ich bin sicher, dass auch Monsieur Landru mit dieser Vorgehensweise einverstanden wäre.«
Nicole nickte und stand dann, dem Beispiel der anderen folgend, ebenfalls auf. Tanabe-san musste gestützt werden, er schwankte bereits gefährlich und Nicole dachte, dass daran, dass Asiaten weniger Alkohol vertrugen, wohl eindeutig etwas Wahres war.
Draußen auf der Straße ging erneut mit großem Hallo ein Abschiednehmen vor sich und Nicole hatte alle Mühe, sich den bereits heftig flirtenden Tanabe-san vom Hals zu halten. Willkommen im wirklichen Leben, dachte sie voller Selbstironie. Sonst war sie ja meist mit Zamorra zusammen bei solchen Gelegenheiten und schon allein deshalb geschützt vor Angriffen und Anzüglichkeiten jeder Art. Jetzt musste sie eben auch einmal ohne auskommen, sie hatte es ja nicht anders gewollt.
Minamoto warf ihr noch einen etwas besorgten Blick zu, als er sich mit Ieyasu und Hanzo-san in die andere Richtung aufmachte. Im Umdrehen bemerkte Nicole noch, dass Minamoto am dunklen Jackett von Hanzo ein Zettelchen befestigte, auf das mit Tusche schwarze japanische Schriftzeichen gemalt waren.
Minamoto-san scheint sich mit Dämonen wirklich hervorragend auszukennen. Darauf muss ich ihn unbedingt einmal ansprechen , dachte Nicole und spürte plötzlich eine Hand an ihrem Bauch. »Tanabe-san, ich glaube, Ihre Hand gehört hier nicht hin«, sagte sie in einem bestimmten, aber doch freundlichen Tonfall und versuchte, sich über das alberne Kichern des Museumsdirektors nicht zu ärgern.
»Aber, aber, Madame Julie, wir haben uns doch schon in den Armen…«, sagte der kleinere Mann lallend. Nicole bereute fast, sich auf Minamotos Vorschlag eingelassen zu haben und schob Tanabes Hand entschieden weg. »Das liegt daran, Tanabe-san, dass Sie auf Ihrem Nachhauseweg… nun, ein wenig Unterstützung zu brauchen scheinen«, erwiderte sie fest und überlegte fieberhaft, wie sie den Mann ablenken konnte. Umgehend fiel ihr der Shinigami und seine kunstvolle Maske wieder ein. Bevor Tanabe noch einmal anzüglich werden konnte, sprach sie bereits wieder und beschrieb die Maske noch einmal genau. »… Wissen Sie, Tanabe-san, Minamoto-san meinte, Sie wüssten bestimmt, um welche Maske es sich dabei handelt. -… Tanabe-san?« Erstaunt stellte Nicole fest, dass der Direktor des Volkskundemuseums wie angewurzelt stehen geblieben war. Seine Betrunkenheit schien wie weggeblasen. »Sie haben einen Shinigami gesehen?«, fragte er und schob sie energisch von sich.
Jetzt war es an Nicole, stutzig zu werden. Ihre Gedanken überschlugen sich. »Einen Shinigami?«, fragte sie dann vorsichtig.
Tanabe war weiß wie eine Wand geworden. »Ein… ein Shinigami ist ein
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