094 - Der Teufel von Tidal Basin
darauf keine Auskunft geben. Als der sonderbare Patient ihn das erstemal besuchte, hatte er unzweifelhaft in der Gegend von Piccadilly gewohnt, und später war er immer nur in unregelmäßigen Zwischenräumen wieder aufgetaucht.
»Glauben Sie, daß er mit dem sogenannten Teufel von Tidal Basin identisch sein könnte?« frage Mason plötzlich.
Marford lachte.
»Teufel! Es ist doch zu sonderbar, daß vernünftige Menschen anderen Leuten, die ein körperliches Gebrechen haben, irgendeine Teufelei anhängen müssen. Gewöhnlich müssen Krüppel, arme Lahme und Schielende daran glauben.«
Er konnte wenig Interessantes über den Mann mit der weißen Maske berichten, höchstens, daß er sich in der letzten Zeit nicht mehr telefonisch angemeldet hatte. Er war stets über den Hof gekommen, der hinter der Klinik lag.
»Ich verschließe die Hintertür niemals.« Marford erzählte, daß er einen sehr festen Schlaf habe und daß die Kranken, die ihn nachts aufsuchten, häufig direkt an seine Zimmertür kämen und ihn aufweckten. »Bei mir kann man nicht viel stehlen, höchstens ein paar medizinische Instrumente und ein paar Giftflaschen. Und ich muß auch gerecht gegen die Leute sein. Es ist mir nichts abhanden gekommen, seit ich hier wohne. Ich behandle sie freundlich, und solange sie sich anständig benehmen, habe ich nichts dagegen, wenn sie sich frei in meinem Haus bewegen.«
Mr. Mason verzog das Gesicht.
»Ich begreife nur nicht, daß Sie in dieser Umgebung leben können. Wie können Sie Tag für Tag mit diesen Menschen verkehren und sich mit ihrem Elend beschäftigen?«
Dr. Marford seufzte und schaute wieder nach der Uhr.
»Das Kind wird jetzt schon geboren sein.«
Einen Augenblick später klingelte das Telefon, und der Sergeant rief den Arzt zum Apparat. Das Kind war tatsächlich schon ohne den Beistand des Doktors auf die Welt gekommen.
Gleich darauf kam der Krankenwagen, und Lorna Weston wurde abtransportiert. Elk schickte einen Detektiv mit, der die Frau im Krankenhaus beobachten sollte. Dann erschien er mit glänzenden Augen im Amtszimmer.
»Wenn der Fall aufgeklärt wird, müßte ich befördert werden«, sagte er.
»Bringen Sie Mrs. Albert herein«, erwiderte Mason, der die Bemerkung nicht weiter übelnahm. »Sie hat lange warten müssen, aber ich habe ihr absichtlich einen Schrecken einjagen wollen, damit sie uns die Wahrheit erzählt.«
Elk führte die Frau herein. Sie war sehr bleich und hielt immer noch ihre Kanne in der Hand. Ihre Hände zitterten, und sie schaute verstört um sich. Mason ließ ihr Zeit, sich etwas zu sammeln.
»Es tut mir leid, daß ich Sie solange habe warten lassen müssen, Mrs. Albert«, begann er dann. »Ihr Mann ist doch Nachtwachmann bei der Eastern Trading Company?«
Sie nickte nur.
»Es ist doch verboten, daß ein Nachtwächter während des Dienstes Bier trinkt?«
»Ja«, entgegnete sie mit schwacher Stimme. »Der vorige Nachtwachmann ist deshalb auch entlassen worden.«
»Aha!« erwiderte Mason scharf. »Aber Ihr Mann trinkt gerne Bier, und es ist auch verhältnismäßig leicht, eine Kanne durch die kleine Tür in der Mauer zu schmuggeln?«
Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und schaute auf den Boden.
»Und er hat die Angewohnheit, die kleine Tür jede Nacht bis ungefähr um elf aufzulassen, damit Sie die Kanne Bier hineinstellen können?«
Die Frau blickte verzweifelt um sich. Sie konnte nur vermuten, daß sie verraten worden war. Welcher ihrer Nachbarn mochte wohl den Angeber gespielt haben?
Eine verhältnismäßig hübsche Frau, dachte Mason, trotz der drei Kinder und der vielen Arbeit.
»Sehen Sie, da haben wir den Zusammenhang«, wandte er sich an Elk. »Durch diese Tür ist auch Mr. Louis Landor entkommen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich habe schon drei Leute losgeschickt, die das ganze Grundstück absuchen sollen. Mr. Landor wird allerdings längst das Weite gesucht haben. Ich habe seine Personalbeschreibung bereits bekanntmachen lassen.«
Mrs. Albert sank schuldbewußt in einen Stuhl und sah Mr. Mason furchtsam an. Es war ihr, als ob die ganze Welt zusammenstürzen müßte. Ihr eigenes Unglück interessierte sie weit mehr als der Tod des Unbekannten. Ihr Mann würde seine Stelle verlieren! Und die Arbeitslosigkeit war doch so groß, daß er kaum einen neuen Posten finden würde. Mit Entsetzen dachte sie an die endlosen Wege, die ihm bevorstanden. Die paar Schillinge, die sie als Aufwartefrau verdienen konnte, zählten kaum . . .
»Er wird
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