094 - Der Teufel von Tidal Basin
Und er erwiderte sehr richtig: ›Gott weiß es‹.«
»Also unbekannt? Aber ein vornehmer Herr, wie ich gehört habe?«
»Er war gut gekleidet. Gehen Sie doch hin und sehen Sie sich den Mann an. Sie kennen ja alle Leute im Westen.«
Michael schüttelte den Kopf.
»Das hat noch Zeit. War dieser Mord auch wieder ein kleiner Scherz von Weißgesicht?«
»Was reden Sie schon wieder von Weißgesicht! Hören Sie, Quigley, in Ihrem Kopf ist es auch nicht mehr ganz richtig. Sie haben tatsächlich eine fixe Idee. Weißgesicht gehört ebensowenig nach Tidal Basin wie der Teufel, den Sie für diese Gegend erfunden haben.«
»Weißgesicht ist aber hier in der Gegend gesehen worden«, erklärte Michael hartnäckig.
Mason seufzte.
»Ein Mann mit einem weißen Tuch vor dem Gesicht ist allerdings hier gesehen worden. Dr. Marford hat Ihnen das in einem schwachen Augenblick selbst erzählt. Aber Sie können das häufiger in der Nähe einer Klinik beobachten.«
Michael Quigley schwieg eine Weile.
»Oh . . . wohin wollen Sie gehen?« fragte er dann plötzlich.
Kein anderer Zeitungsreporter hätte das wagen dürfen, aber Mason hatte eine Schwäche für den jungen Mann.
»Es ist eigentlich streng verboten, aber ich will Ihnen erlauben mitzugehen. Ich möchte ein paar eigene Nachforschungen anstellen, und Sie können mir dabei helfen. Wie geht es denn Miss Harman?«
Mike lachte bitter.
»Miss Harmann ist eine gute Freundin von mir, die einen anderen Mann heiraten will.«
»Nun, dann gratuliere ich ihr«, meinte Mason, als sie sich auf den Weg zur Endly Street machten. »Man muß ein schrecklich langweiliges Leben führen, wenn man einen Zeitungsreporter heiratet.«
»Es fällt mir ja gar nicht ein, jemand zu heiraten«, sagte Mike wild. »Lassen Sie doch Ihre beleidigenden Späße!«
»Großartig, daß ich auch einmal Ihr dickes Fell getroffen habe! Ich bilde mich direkt zum Elefantenjäger aus.«
Sie gingen nebeneinander her. Mason wußte, daß er Mike tief gekränkt hatte. Er pfiff leise vor sich hin, bis sie zu der Mauer kamen, die das Grundstück der Eastern Trading Company umgab.
»Können Sie wirklich nichts anderes pfeifen als den Hochzeitsmarsch?« fragte Mike böse.
Die Nacht war dunkel, und es wehte ein kalter Wind.
»Polizeibeamte und Zeitungsreporter verdienen ihren Lebensunterhalt durch das Unglück anderer Leute«, meinte Mason. »Ist Ihnen das schon einmal zum Bewußtsein gekommen? Aber hier sind wir am Tatort angelangt!«
Drei Beamte kamen ihnen entgegen und blieben stehen, als sie Mason erkannten.
»Wir haben niemand finden können«, sagte der Rangälteste. »Das ganze Gelände ist abgesucht, aber wir haben kein Lebewesen entdeckt, obwohl genug Plätze da sind, wo sich jemand verstecken könnte.«
»Und die kleine Türe?«
»Die war nicht verschlossen, nur angelehnt. Der Nachtwachmann schwur Stein und Bein, daß er sie nicht geöffnet habe. Er sagte, daß sie nur im Falle von Feuersgefahr benützt wird.«
»Schon gut. Kommen Sie jetzt mit.«
Mit wenigen Schritten waren sie an der Stelle, wo man den Toten gefunden hatte.
Mason pfiff immer noch leise vor sich hin, als er zu der grüngestrichenen kleinen Tür ging und sie zu öffnen versuchte. Aber sie war jetzt verschlossen. Hätte er nur daran gedacht, als er das erstemal an den Tatort gekommen war! Wenn Mrs. Albert doch nur gleich die Wahrheit gesagt hätte . . .
Er sprach darüber zu Michael. Das konnte er ruhig tun, denn der junge Mann war vertrauenswürdig und schrieb nur das, was erlaubt war und keinen Schaden anrichten konnte.
»Das erleben wir doch immer wieder«, meinte Mike. »Niemand sagt die Wahrheit, weil jeder etwas zu verheimlichen hat, das unangenehm für ihn ist. Ich begreife das eigentlich nicht.«
Er schaute sich auf dem Pflaster um.
»Haben Sie auch den Rinnstein dort untersucht? Die Straße senkt sich hier leicht.«
Mason sah sich fragend nach den drei Detektiven um. Die Schmutzfänger der Abflüsse waren untersucht worden, aber man hatte nichts von Bedeutung gefunden.
Mike rollte den Ärmel seines Rocks auf. Es war verhältnismäßig klares Regenwasser, das die Rinne entlanglief . . .
»Sehen Sie, da haben wir schon etwas«, rief er triumphierend. »Was ist das?«
Mason nahm den kleinen Gegenstand in die Hand, und einer der Detektive beleuchtete ihn mit seiner Taschenlampe.
»Sieht wie eine Medizinampulle aus«, sagte Mike und betrachtete neugierig die kleine Glasröhre, die eine Flüssigkeit enthielt. »Die Sache
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